Der Neue Merker
Udo Klebes
 
Konzert, Baden-Baden, 25. März 2012
 
„JONAS KAUFMANN UND DAS CITY OF BIRMINGHAM SYMPHONY ORCHESTRA“ 25.3. 2012– Welten der Romantik
 
 
Die aufgrund eines Krankheitsfalles in der Familie kurzfristig bedingte Absage des Dirigenten Andris Nelsons schien an diesem frühen Sonntagabend im Festspielhaus zweitrangig zu sein – Hauptsache, Jonas Kaufmann, der das Baden-Badener Publikum schon zweimal mit Fernbleiben enttäuschen musste, stand an diesem Abend wie geplant auf der Bühne, um Orchesterlieder von Gustav Mahler und Richard Strauss zum Besten zu geben. Wobei das „zum Besten“ wirklich wörtlich genommen werden darf. Selbst eine durch eine laute Zuschauer-Beschwerde, die die mangelnde Sicht auf den Sänger beklagte und ein Mehr nach vorne treten forderte, erzwungene Unterbrechung der fünf „KINDERTOTENLIEDER“, worauf der Künstler spontan seine sichtwinkelbedingte Position zwischen Dirigent und Konzertmeister verteidigte und vom Publikum demonstrativ mit Beifall unterstützt wurde, konnte ihn nicht aus seiner Vertiefung in den trauernden Kosmos dieser für Mahler-Verhältnisse ganz schlicht konzipierten Lieder mit Texten von Friedrich Rückert reißen. Das nennt man künstlerische Intuition und Beherrschung.

Wie ökonomisch Jonas Kaufmann seine reichhaltigen vokalen Mittel einzusetzen vermag – dafür sind diese überwiegend im unteren dynamischen Bereich gehaltenen Klage- aber auch durch einen gewissen Trost aufgelichteten Lieder das denkbar beste Beispiel. Dabei gelingt es ihm auch, seine Stimme mit ganz zartem schwebendem Tonfall über einen ganzen Absatz zu halten und so eine faszinierende Stimmungsdichte aufzubauen. Die Tragfähigkeit seiner vielfach variierten Piano- Künste kommt hier besonders gut zur Geltung, ebenso die Fähigkeit zur Zurückhaltung, die z.B. bei der Zeile „Wir holen sie ein auf jenen Höh’n, im Sonnenschein der Tag ist schön!“ ein Maximum an beteiligtem Ausdruck erreicht.

Die Üppigkeit und Strahlkraft seines Tenors kamen dann bei den anschließenden fünf Strauss-Liedern gebührend zum Einsatz, um die unterschiedlichen Liebes- und Dankbezeugungen („Heimliche Aufforderung“, „Ruhe meine Seele“, „Ich trage meine Minne“, „Morgen“ und „Cäcilie“), angereichert mit der süffigen Sinnlichkeit des Komponisten, zu blühendem Leben zu erwecken. Die wendige Stimmführung wie auch seine hymnisch entfalteten Höhenaufschwünge ließen die hier gewählte Orchesterfassung zur Pflicht werden. Die als Zugabe spendierte „Zueignung“ durfte denn ob ihrer herzhaft klaren Interpretation als kleine Liebeserklärung an das begeisterte Publikum aufgefasst werden, worauf sich der Jubel noch steigerte.

Einen nicht unerheblichen Anteil an diesen erfüllten Wiedergaben von Orchesterliedern hatte das Orchester bzw. der Dirigent. Und der von Sir Simon Rattle und Nelsons empfohlene Gastdirigent der Birminghamer, Michael Seal, hatte als Einspringer offensichtlich sofort einen Konsens mit dem Sänger gefunden, so gut wusste er das Orchester um die Stimme herum zu betten, dass die feinen Übergänge bei Mahler wie auch die üppige Farbgebung bei Strauss zu ihrem vollen Recht kamen. Von Seals exakten Einsätzen und der aufmerksamen dynamischen Steuerung der einzelnen Gruppen wie auch des Gesamtklanges profitierte denn auch die nach der Pause gespielte „SYMPHONIE NR.2 D-DUR op.43“ von Jean Sibelius. Das 1902 komponierte symphonische Hauptwerk des bedeutendsten finnischen Tonsetzers brachte dann auch die Qualitäten des City Of Birmingham Symphony Orchestra voll ans Tageslicht – ein wohltuend warmer Klang, der selbst in den Gipfelmomenten des vierten Satzes mit der fanfaren-überlagerten Coda der Posaunen nie metallisch erdrückend wird. Ob im wellenartig aufgebauten und variierten Thema des recht kurzen Eingangs-Allegrettos, im nordisch schroffen und markant leuchtenden Andante, in dem vivacissimo wie ein Kobold durch die einzelnen Streichergruppen huschenden Scherzo oder im aufrauschenden, von den Blechbläsern und Pauken bekrönten Finale mit seinem prachtvoll erstiegenen Schlusspunkt – die im Gegensatz zu Mahler strenge Struktur der Partitur wurde mit durchgehender Prägnanz und Glanz erfüllt. Es hätte also genügend Grund gegeben, das Orchester gleichfalls mit Jubel zu verabschieden. Doch der fiel merkwürdigerweise um einiges verhaltener aus als vor der Pause.






 
 
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