Die Deutsche Bühne
Von Tobias Gerosa
 
Strauss: Ariadne auf Naxos, Salzburger Festspiele, 29. Juli 2012
 
Leoparden-Gott und Schmäh-Komödie
 
 
Die Salzburger Festspiele spielen nicht einfach „Ariadne auf Naxos“, sondern ergänzen die mit Schauspiel und Tanz angereicherte Urfassung um eine eigene Rahmenhandlung: Gekonntes Hochglanztheater. Zwei Ebenen sind in Hofmannsthal/Strauss Ariadne-Projekt schon angelegt: Eine Bearbeitung von Molières „Bürger als Edelmann“ und eine Einlageoper.

Sven-Eric Bechtolf entdeckt in der brieflich belegten Beziehung des Autors Hofmannsthal zu einer Gräfin Ottonie eine dritte Ebene. Das Vorbild der depressiven Ariadne wird zum Angelpunkt seiner aufwändigen, genreübergreifenden Inszenierung der Urfassung von 1912.

Rolf Glittenberg hat dafür einen lichtdurchfluteten Salon mit großzügigen Spielräumen gebaut. Die zerbrochenen Flügel als „wüste Insel“ der Oper wirken wie ein Seitenhieb aufs „Regietheater“, von dem man hier doch weit weg ist. Denn die um Cornelius Obonyas jovialen Jourdain (dem Bürger, der sich so gerne Edelmann wäre) gebaute Schauspielhandlung zielt auch mit den Bediensteten – Peter Matics Haushomeister als komödiantisches Glanzlicht, die von Heinz Spoerli choreografierten Ballett-Lakaien mit kaum mehr als Zuckergussfunktion – auf handfeste Pointen mit Wiener Schmäh. Daniel Harding passt sich mit den Wiener Philharmonikern in Strauss „Schauspielmusik zum Bürger als Edelmann“ dieser Sicht breitwillig an.

Schön gelungen ist die Verzahnung der drei Ebenen miteinander, auch wenn sich keine wirkliche Verschmelzung einstellt. Daran ist die gegenüber der Zweitfassung deutlich weniger stringente Oper mitschuldig. Die Partie der Zerbinetta ist in ihr noch halsbrecherischer. Elena Mosuc liegen die Koloraturen famos, während ihre Textverständlichkeit mangelhaft bleibt. Schwerwiegender zeigt sich (nicht nur) an ihr, wie die Regie mit der Opernfiguren wenig anzufangen weiß. Der Zusammenprall der tragischen Ariadne- und der burlesken Zerbinetta-Welt wird weitgehend verstörungsfrei arrangiert. Emily Magee als Ariadne darf sich fast immer an der Rampe bewegen. Sie klingt dabei sehr kultiviert, aber auch nach einiger Anstrengung. Davon ist bei Jonas Kaufmanns erstem Bacchus nichts zu spüren, stentorhaft gekonnt schmettert er die hohe Partie. Dirigent Harding gibt ihm und Magee auch kaum Chancen, dynamisch zurückzugehen. Von einem kammermusikalisch leichten Ariadne-Ton bleibt er weit entfernt. So wundert man sich über den Leopardenanzug des Bacchus mehr als dass man sich mit der Inszenierung fragen würde, was die Gleichsetzung Hofmannsthals mit dem Gott bedeuten könnte.

Der Aufwand von Oper, Schauspiel und Ballett in einer Produktion ist festspielwürdig. Das Premierenpublikum jubelte nach fast vier Stunden (so gut wie) einhellig – für gute, ästhetische Unterhaltung. Das ergäbe schon fast eine weitere, ironische Ebene.
 














 
 
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