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Kultur-Vollzug |
Volker Boser
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Strauss: Ariadne auf Naxos, Salzburger Festspiele, 29. Juli 2012 |
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Der Klamauk ist verlängert, doch es fehlt die Leichtigkeit
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Normalerweise dauert die Oper „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss auch
bei den Salzburger Festspielen nur so lange, dass man danach noch ohne
Hektik dinieren kann. Doch diesmal wurde es knapp. Vor hundert Jahren hatte
die Urfassung in Stuttgart Premiere. Sie fiel durch mit Pauken und
Trompeten. Für Salzburgs Schauspielchef Sven-Eric Bechtolf Anreiz genug, es
erneut zu versuchen.
Ein Gesamtkunstwerk aus Oper, Tanz und
Schauspiel sollte für ein Publikum unserer Tage, gestählt durch hektische
TV-Wechselbäder, nun wirklich kein Problem mehr sein.
Die Liaison
zwischen Tragik und Komik, gesprochenem Wort und Musik, wie sie Strauss,
Hofmannsthal und Regisseur Max Reinhardt einst vorschwebte, birgt allerdings
noch immer genügend Stolpersteine. Zumal sich Sven-Eric Bechtolf darauf
kaprizierte, nicht nur Molières Komödie „Der Bürger als Edelmann“ als
Rahmenhandlung für die mythologische Melancholie der Oper „Ariadne auf
Naxos“ zu aktivieren, sondern auch noch die Begegnung des Dichters mit
seiner Muse Ottonie von Degenfeld. Michael Rotschopf und Regina Fritsch
agierten mit der erforderlichen Noblesse. Hätte diese Episode gefehlt, es
wäre zu verschmerzen gewesen.
Den Bürger Jourdain, der mehr scheinen
will, als er ist, gab Cornelius Obonya in der Tradition seinen Großvaters
Attila Hörbiger als Nestroy-Kasperl. Englischsprechende Besucher fanden das
in der Pause „charming“ – der Gast aus München hätte sich etwas weniger
Komödienstadel gewünscht. Und etwas mehr musikalische Delikatesse: „Der
Bürger als Edelmann“, als Orchestersuite bekannt, gehört zu den schönsten
Werken von Strauss, vorausgesetzt, man musiziert locker und lebhaft.
Dirigent Daniel Harding und die Wiener Philharmoniker waren an diesem Abend
weit davon entfernt.
Für die anschließende Oper hatte Bühnenbildner
Rolf Glittenberg den vor der Pause noch intakten Konzertflügel zertrümmert
und dessen Einzelteile als Spielfläche aufgetürmt. Öde Inseln sehen anders
aus. Aber wen bekümmert das schon, wenn Jonas Kaufmann darauf herumturnt und
als Bacchus grandios und lautstark in den höchsten Tönen jubelt. Ein
Rollendebüt, vielversprechend, aber auch beängstigend, weil sich die Frage
stellt, ob sich der Münchner Tenor da nicht doch ein wenig überhebt. Emily
Magee als Ariadne musste es sich gefallen lassen, dass der Bürger Jordain,
der auch hier ständig präsent sein musste, ihren ersten Monolog mit den
Worten unterbrach: „Ich wünschte, es käme bald was Kurzweiligeres.“ Strauss
konnte sehr selbstkritisch sein.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt war
das Erscheinen Zerbinettas überfällig. Elena Mosuc trällerte deren
Koloraturen herzallerliebst, wenn auch ohne Raffinement. Immerhin: man hörte
die Erstfassung der Arie „Großmächtige Prinzessin“, die einen ganzen Ton
höher liegt und erheblich ausgiebigere Trapezkünste verlangt als die
gebräuchliche letzte Version. Insgesamt enthält die Ur-„Ariadne“ etwa 500
Takte mehr Musik - auf die man aber auch verzichten kann.
Obwohl sich
Dirigent Daniel Harding steigerte und geradezu aufopferungsvoll bemühte, das
Orchester zu zügeln, ließen die Wiener Philharmoniker während der fast
vierstündigen Aufführung jenen transparenten, leichten „Ariadne“-Tonfall
vermissen, der ihnen eigentlich keine Probleme bereiten sollte.
Ach,
ja: Im ersten Teil durften einige Hofmannsthal- Figuren aus anderen Stücken
auftreten: Marschallin, Octavian, Elektra – und ein zur Unkenntlichkeit
verkleideter Jedermann. Es war Österreichs Schauspiel-Idol Peter
Simonischek. Nachdem er sich zu erkennen gegeben hatte, winkte er kurz ins
Publikum und verschwand unter großem Hallo: Sven-Eric Bechtolfs Ur-„Ariadne“
ist eine Mischung aus Klamauk und bemühtem Ernst.
Nach
schweißtreibenden Stunden ließ sich die Erkenntnis aber nicht mehr
unterdrücken: Die Endfassung bleibt nach wie vor erste Wahl.
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