Tagblatt, 31.7.2012
OTTO PAUL BURKHARDT
 
Strauss: Ariadne auf Naxos, Salzburger Festspiele, 29. Juli 2012
 
"Ariadne auf Naxos" bei den Salzburger Festspielen
 
 
Salzburg, wie es prunkt und leuchtet: Die Oper "Ariadne auf Naxos" passt gut in die neue Festspiel-Ära unter Intendant Alexander Pereira: ein rauschendes Kostümfest mit Weltklasse-Stimmen.

Salzburg Gut, die Taxifahrer reden vom neuen, immerhin schon halb fertigen Bahnhof. Doch die Festspielgemeinde spricht über Alexander Pereira, den neuen Intendanten. Der gilt als Mann der Extreme und begann seine Amtszeit mit einer Rücktrittsdrohung. Zwar lehnte das Kuratorium seine ultimative Budgetforderung für 2013 ab - aber egal, er hats riskiert. Und bleibt selbstverständlich trotzdem im Amt. Klar, dass sich Pereira auch schon mal gerne kokett als "Kasper", "Zirkusdirektor" oder gar als "Spieler" bezeichnet, weil er auf eigene Rennpferde mit Opernnamen wie "Komtur" wettet. Ebenso gerne gibt er sich als Charmeur - wenn er mit dem vier Jahrzehnte jüngeren brasilianischen Model Daniela Weisser posiert - und gilt als wirtschaftsnaher Tausendsassa, weil er auf Sponsorenjagd bis nach Shanghai jettet. Kurz, Pereira wirkt wie der größtmögliche Gegensatz zu seinem Vorgänger, dem leisen, schöngeistigen Interims-Intendanten Markus Hinterhäuser.

Kulturell? Da setzt Pereira, der gebürtige "Wirbelwiener", auf mehr Wachstum (knapp 57 statt 52 Millionen wie im Vorjahr), mehr Weltstars und mehr Karten (rund 260 000 statt 220 000). Nein, dieser Pereira lässt niemanden kalt, er spaltet. Die einen feiern ihn als Heilsbringer nach dem Motto "Zurück in die gute alte edle Karajan-Zeit". Die andern sehen in ihm nur einen Society-Löwen, der das Festival zu einer Hochglanz-Promi-Show entwickeln will. Ihm selbst dürften solche Fronten ziemlich wurscht sein. Und sein Elan, das müssen selbst Skeptiker einräumen, ist bemerkenswert.

Die Wiederbelebung einer exquisiten Oper wie Richard Strauss "Ariadne auf Naxos" mit Weltklasse-Interpreten wie Jonas Kaufmann, Emily Magee und Elena Mosuc wirkt da durchaus programmatisch für Pereiras Stil. Auch die Inszenierung, ein rauschendes, opulentes Kostüm- und Ausstattungsfest mit prunkvollen Lüsterleuchten, passt da gut ins Bild - was von Sven-Eric Bechtolf, einem bekennenden Gegner des Regietheaters, auch nicht anders zu erwarten war.

Andrerseits vermittelt diese Produktion auch etwas rührend Unzeitgemäßes. Denn zugrunde liegt die als unspielbar geltende, 100 Jahre alte Stuttgarter Urfassung, ein ausuferndes Gesamtkunstwerk aus Komödie, Ballett und ernster Oper, eingeleitet von Molières "Bürger als Edelmann" und ausgetüftelt von den Festspiel-Mitbegründern Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss. Bechtolf setzt sogar noch eine dritte Ebene obendrauf, indem er die verbürgte, platonisch-amouröse Affäre zwischen dem Textdichter und der seinerzeit real existierenden, jung verwitweten Gräfin Ottonie mit ins Ganze hinein verwebt.

So entsteht ein verwinkeltes Spiel im Spiel, das Bechtolf aber handwerklich solide, schnörkellos, klar durchschaubar inszeniert. Der distinguierte Hofmannsthal (Michael Rotschopf) und die träumerische Ottonie (Regina Fritsch) geraten hierbei selbst in den Sog der turbulenten Komödie, in die Bechtolf auch ein Regenschirm-Ballett und eine kleine City-Scooter-Show einbaut. Überhaupt, die Regie tut alles, um den teils verschmockten, überladenen Plot aufzulockern.

Dies gelingt mit einer gut sortierten Ensembleleistung, die zunächst von Peter Matic und Cornelius Obonya dominiert wird, ein routiniertes Komödiantenduo alter Schule, das mit falsch verstandenen Musikbegriffen wie "Schnacksen" um sich wirft, bei ernsten Klängen aber einschläft und statt hoher Oper "was Lustiges" fordert - Parallelen zu heute sind durchaus beabsichtigt.

Elena Mosuc liefert als Zerbinetta, ausstaffiert wie eine knallrote Kirsche, ein starkes Salzburg-Debüt mit annähernd zirkusreifer Koloraturenkunst. Mit weichem, fülligem Sopran gibt Emily Magee eine eindrucksvoll somnambule Ariadne, eine einsam Trauernde in einer surrealen Landschaft aus halb versunkenen Konzertflügeln. Bis dann der göttliche Bacchus im Leoparden-Anzug als ihr Erlöser auftaucht, dem Jonas Kaufmann, frei von jeder Stimmkrise, mit kräftigem, strahlendem Tenorglanz einen geradezu auratischen Auftritt verschafft. Und erst die Musik: eine Wohlklang-Wolke ohnegleichen, garniert mit Strauss"schen Selbstzitaten, mit Bach- und Schubert-Anklängen. Sehr schwelgerisch: die Wiener Philharmoniker unter Daniel Harding.

Was bleibt? Ein Riesenschmarren, sicherlich. Teils reichlich zäh. Doch solide erzählt. Und so gelingt Bechtolf zwischen leichter Komik und schwer umwölktem Götterpathos immerhin eins: zu zeigen, wie Theater die Seele verwandeln kann.











 
 
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