|
|
|
|
ORF, 30.7.2012 |
Sophia Felbermair |
|
Strauss: Ariadne auf Naxos, Salzburger Festspiele, 29. Juli 2012 |
|
Bechtolf löst den Ariadne-Faden
|
|
Parallel zu seiner neuen Aufgabe als Schauspielchef in Salzburg hat Sven-Eric Bechtolf selbst auf dem Regiesessel Platz genommen. Mit „Ariadne auf Naxos“ präsentierte er einen verborgenen Schatz, für Richard Strauss ein „hübscher Zwitter“, für das Publikum durch die Verknüpfung von Theater, Oper und Ballett ein Rätsel. Doch Bechtolf löst den Ariadne-Faden, nicht zuletzt dank des großen Ensembles. |
|
Die Mischung aus Schauspiel, Ballett und Oper, ein Gemeinschaftsprojekt von
Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss geriet 1912 trotz der Regie des
großen Max Reinhardt zum veritablen Flop. Die Schuld am Misserfolg gab
Strauss dem verständnislosen Publikum, wie er resignierend nach der
desaströsen Uraufführung notierte. Das Werk wurde folglich umgearbeitet und
schließlich 1916 neu herausgebracht - in der heute normalerweise gezeigten
Version.
Regisseur Bechtolf hat sich für seine Bearbeitung dennoch
der Urfassung angenommen - denn wo, wenn nicht in Salzburg (in Koproduktion
mit der Wiener Staatsoper) kann man einerseits auf ein exzellentes
Sprechtheaterensemble als auch auf ein Orchester vom Format der Wiener
Philharmoniker (unter der Leitung von Daniel Harding) zurückgreifen? Szenenbild "Ariadne auf Naxos"
Stück im Stück - mit
zusätzlichem Stück
Die titelgebende Oper „Ariadne auf Naxos“ ist im
Werk von Strauss und Hofmannsthal das Stück im Stück, eingeflochten in eine
Bearbeitung von Molieres „Der Bürger als Edelmann“. Als wären das
grundsätzlich noch nicht genug Ebenen fügt Bechtolf dem Ganzen noch die
Erzählerfigur in Form von Hofmannsthal (Michael Rotschopf) hinzu.
Der
Dichter erklärt also sein neues Stück seiner Angebeteten Ottonie (Regina
Fritsch), in dem ein Nachwuchskomponist (Thomas Frank) im Aufrag seines
Lehrers eine Oper für den neureichen Emporkömmling Monsieur Jourdain
(Cornelius Obonya) schreibt.
Was in der Zusammenfassung kompliziert
erscheinen mag, erschließt sich in der Inszenierung Bechtolfs mühelos. Der
rote Faden ist die Liebesgeschichte, die sich in allen drei Ebenen
entspinnt, in der jedes Mal eine Frau davon überzeugt werden muss, dass die
Chance auf eine neue Liebe besteht. Hofmannsthal und die verwitwete Ottonie,
Jourdain, der mit der Auftragsoper ebenfalls eine Witwe begeistern will und
schließlich Ariadne, die auf Naxos angespült glaubt, nach Theseus keinen
Mann mehr lieben zu können.
Komödienfeuerwerk in Starbesetzung
Trotz inhaltlicher Verschränkungen, Querverweise und Dopplungen trennt
sich „Ariadne auf Naxos“ dennoch ziemlich klar in Sprechtheater im ersten
und Oper im zweiten Teil. Vor der Pause darf erst das hochkarätig besetzte
Schauspielensemble, unterstützt von Balletttänzern zeigen was es kann. Und
so tobt sich vor allem Obonya mit enormer komödiantischer Kraft aus, aber
auch Peter Matic als Jourdains Haushofmeister und Lehrer in Sachen Etikette
beweist seine feine humoristische Klinge bei den Versuchen, dem Parvenü den
Unterschied zwischen Oper und Klamauk näher zu bringen.
Nicht auf der
Besetzungsliste aber dennoch auch kurz auf der Bühne ist (nach seiner
Vortagespremiere „Prinz von Homburg“) einmal mehr Peter Simonischek. Für
einen Miniauftritt (eher eine schlichte Bühnenüberquerung denn ein Auftritt)
schlüpft er noch einmal in sein „Jedermann“-Kostüm und macht darin Schöpfer
Hofmannsthal die Aufwartung.
Arien mit Durchschlagskraft
Im
zweiten Teil wird „Ariadne auf Naxos“ schließlich in Jourdains hauseigenem
Theater zum Besten gegeben. Ab hier übernimmt die Musik, und spätestens wenn
sich Elena Mosuc als Zerbinetta zu schwindelerregende Koloraturen
aufschwingt ist klar, dass auch dieser Teil zum vollen Erfolg wird.
Harding führt die Philharmoniker mit viel Gefühl und einem guten Gespür für
die illustrative Musik, Startenor Jonas Kaufmann gibt sein Rollendebüt als
Bacchus und beweist eindrucksvoll, dass die Angst um seine Stimme, die ihn
nach einer Erkrankung monatelang alle Auftritte absagen ließ, unbegründet
war. Und auch Emily Magee gibt ihre Ariadne mit voller Leuchtkraft und am
Premierenabend in Bestform.
Gesamtkunstwerk nach Richard Wagner
Die Grundidee der Festspielgründer Reinhardt, Hofmannsthal und Strauss
zu ihrer „Ariadne“ kommt jener von Richard Wagners Gesamtkunstwerk ziemlich
nahe. Und auch die Inszenierung Bechtolds im elegant klassischen Bühnenbild
von Rolf Glittenberg mit Kostümen von Marianne Glittenberg wird dem Gedanken
gerecht, dass die verschiedenen Kunstsparten gleichberechtigt nebeneinander
gestellt werden können.
Anders sahen das am Premierenabend nur ganz
vereinzelte Opernfan, die sich irritiert von den
Sprechtheater-Unterbrechungen zeigten und ihren Unmut mit Buhrufen schon
beim Pausenapplaus kund taten. Auch am Ende der dreieinhalbstündigen
Aufführung gab es noch ein paar unerschüttliche Gegner von Bechtolfs
Inszenierung - doch deren Rufe blieben auf der Bühne wohl ungehört: zu laut
brandete der minutenlange Applaus für alle Beteiligten auf, zu groß war die
Begeisterung beim Großteil des Publikums.
Strauss’ Erklärung für den
Misserfolg bei der Uraufführung vor hundert Jahren - wonach „ein Publikum,
das ins Schauspielhaus geht, keine Oper hören will, und umgekehrt“ scheint
in Salzburg offensichtlich nicht zu gelten.
|
|
|
|
|
|
|
|