Der Neue Merker, 7.8.2011
Dr. Georg Freund
Konzert, Wien, Stadthalle, 6. August 2011
Wien/ Stadthalle : Konzert ANNA NETREBKO; JONAS Kaufmann und ERWIN Schrott
 
 
Gestern fand in der wohl wegen überhöhter Kartenpreise keineswegs ausverkauften Stadthalle das „Gipfeltreffen der Superstars“ statt. Sowohl die Netrebko als auch Kaufmann und Schrott verfügen über enorm viel Charisma, herrliches Timbre, sichere Technik, glänzendes Aussehen , über ein sogar im Rahmen einer konzertanten Aufführung sehr deutlich werdendes phänomenales schauspielerisches Talent. und dazu noch über sehr viel einnehmende Natürlichkeit. Das Medium Technik, das sich in Form einer Verstärkeranlage störend zwischen die Musiker und das Publikum schob, brachte die Künstler leider um einen Teil ihrer von der Bühne bekannten Wirkung und minderte den Kunstgenuss beträchtlich. Dabei war das Programm sehr gut gewählt, Es wurden ausschließlich Originalkompositionen dargeboten, nicht, wie sonst bei derartigen Veranstaltungen üblich, Medleys aus Opernfragmenten in grässlich kitschigen Arrangements und allzu bekannte Wunschkonzert.-Nummern.

Mit Marco Armiliato war einer der weltbesten Dirigenten für das italienische und französische Fach aufgeboten. Erwartungsgemäß leitete er die Prager Philharmonie und den Wiener Kammerchor mit Verve und soviel Enthusiasmus, dass er sich ständig den Schweiß mit einem Handtuch abwischen musste. Wieder wurde einem schmerzlich bewusst, welche schlimme Lücke sein nicht verlängertes Engagement an der Wiener Staatsoper hinterlassen hat. Was Armiliato aus dem nicht gerade erstklassigen Klangkörper des vornehmlich mit jugendlichen Musikern besetzten Orchesters herausholte, war erstaunlich. Höhepunkt der instrumentalen Einlagen war die mitreißend musizierte Ouvertüre zu Verdis Forza del destino, die bei Konzerten dieser Art anscheinend niemals fehlen darf.. Vorbildlich und vor allem sängerfrreundlich auch Armiliatos stets präzise Zeichengebung.

Das Opernkonzert war offenbar nicht besonders gut vorbereitete: Die Programme waren nicht rechtzeitig eingetroffen und die Mikrophone schepperten schlimmer als erwartet. Vor allem die Stimme Erwin Schrotts war davon betroffen: Seine Nummern, Leporellos Registerarie aus Don Giovanni, in die das opernferne Publikum auch brutal mitten hineinklatschte, und Mephistos Rondo vom Goldenen Kalb aus Faust klangen völlig verfremdet, ganz anders als man sie von den Live-Auftritten des Künstlers in diesen Rollen gewohnt ist. Später wurde die technische Anlage wohl nachjustiert, denn Schrott klang in den Ensembles und bei Banquos Arie und bei seinen unvermeidlichen Tangos eher wie er selbst., eben wie der wunderbare Bassbariton mit satter Tiefe und müheloser Höhe, als den wir ihn kennen.

Auch Anna Netrebkos Prachtsopran litt durch die technische Verstärkung: Jedes Atemholen wurde unbarmherzig verstärkt, vor allem in der an und für sich glänzend mit der Kraft eines spinto-Soprans gesungenen Arie der Butterfly „ Un di vedremo“, die sie statt der in München gewählten Juwelenarie aus Faust vortrug. Ganz hervorragend gelang ihr die leidenschaftliche, in Saint Sulpice spielende Verführungsszene von Massenets Manon mit Kaufmann als Des Grieux. Hier wurde das Konzertpodium tatsächlich zur Bühne ! Auch die zweite Arie der Leonora aus dem Trovatore mit den anschließenden Miserere und sogar der Cabaletta zeigten das Potential der immer großer und dramatischer werdenden Stimme. Glanzpunkt des Abends war für mich das Tauf-Terzett aus Verdis I Lombardi: Weder auf der Bühne noch auf Schallplatten habe ich dieses grandiose Ensemble, eine von Verdis berückendsten Eingebungen, jemals von so exzellenten Künstlern gesungen gehört. Aus dem Finalterzett von Gounods Faust wurde leider nur ein Fragment vorgetragen, aber so mitreißend, dass man sich nach einer vollständigen Aufführung des Werkes in dieser Besetzung sehnte. Der Engelschor war leider gestrichen. Ich hätte ihn weit lieber gehört als ein wenig inspiriertes Intermezzo aus irgend einer Zarzuela. Sehr reizvoll dagegen war ein Duett Netrebkos und ihres Verlobten aus Porgy and Bess, in dem die Künstlerin mit ihrer pastosen Tiefe exzellieren konnte.

Von tückischer Technik am wenigsten beeinträchtigt war die Stimme Jonas Kaufmanns mit dem unvergleichlichen dunklen Timbre und der strahlenden, geradezu explosiven Höhe. Seine Stimme klang eher wie man sie von Bühne und Konzerten kennt, wohl weil Kaufmann sich weise von den Mikrophonen weiter entfernt hielt als seine Partner. Er begann mit Cielo et Mar aus Ponchiellis La Gioconda. Den Schlusston ließ zu einem mächtigen Fortissimo anschwellen- technisch makellos bewältigt und unglaublich effektvoll. ! Tief bewegend Turiddus Abschied von der Mutter aus Mascagnis Cavalleria- man kann diese so häufig auch von anderen bedeutenden Künstlern gehörte Nummer wohl kaum ausdrucksvoller singen. Kaufmanns glänzende Beiträge zu den Ensembles aus Manon, Trovatore und Faust habe ich bereits erwähnt. Er trug dann noch Taubers „Du bist die Welt für mich“ vor- ein Stück, das er schon vor zehn Jahren einmal in Wien für eine Fernsehaufnahme gesungen hatte, wie er erzählte. Als Zugabe schenkte er „Freunde des Leben ist lebenswert“ aus Lehars Giuditta, wofür er den wohl stärksten Applaus des Abends erhielt..

Anna Netrebko, die vor der Pause in einer gelben und nach der Pause weit vorteilhafter in einer blauem Atlasrobe erschienen war, gab zum Entzücken des Publikums „O mio babbino caro“ zu- eine Nummer, die den Leuten wohl von den Fernsehauftritten der Künstlerin bekannt war, denn schon nach den Anfangstakten applaudierten sie. Schrott sang einen Tango, der wohl nicht recht in das anspruchsvolle Programm passte, aber auch freundlich beklatscht wurde.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
  www.jkaufmann.info back top