Gestern fand in der wohl wegen überhöhter Kartenpreise
keineswegs ausverkauften Stadthalle das „Gipfeltreffen der
Superstars“ statt. Sowohl die Netrebko als auch Kaufmann
und Schrott verfügen über enorm viel Charisma, herrliches
Timbre, sichere Technik, glänzendes Aussehen , über ein sogar im
Rahmen einer konzertanten Aufführung sehr deutlich werdendes
phänomenales schauspielerisches Talent. und dazu noch über sehr
viel einnehmende Natürlichkeit. Das Medium Technik, das
sich in Form einer Verstärkeranlage störend zwischen die Musiker
und das Publikum schob, brachte die Künstler leider um einen
Teil ihrer von der Bühne bekannten Wirkung und minderte den
Kunstgenuss beträchtlich. Dabei war das Programm sehr gut
gewählt, Es wurden ausschließlich Originalkompositionen
dargeboten, nicht, wie sonst bei derartigen Veranstaltungen
üblich, Medleys aus Opernfragmenten in grässlich kitschigen
Arrangements und allzu bekannte Wunschkonzert.-Nummern.
Mit Marco Armiliato war einer der weltbesten Dirigenten für das
italienische und französische Fach aufgeboten. Erwartungsgemäß
leitete er die Prager Philharmonie und den Wiener Kammerchor mit
Verve und soviel Enthusiasmus, dass er sich ständig den Schweiß
mit einem Handtuch abwischen musste. Wieder wurde einem
schmerzlich bewusst, welche schlimme Lücke sein nicht
verlängertes Engagement an der Wiener Staatsoper hinterlassen
hat. Was Armiliato aus dem nicht gerade erstklassigen
Klangkörper des vornehmlich mit jugendlichen Musikern besetzten
Orchesters herausholte, war erstaunlich. Höhepunkt der
instrumentalen Einlagen war die mitreißend musizierte Ouvertüre
zu Verdis Forza del destino, die bei Konzerten dieser Art
anscheinend niemals fehlen darf.. Vorbildlich und vor allem
sängerfrreundlich auch Armiliatos stets präzise Zeichengebung.
Das Opernkonzert war offenbar nicht besonders gut
vorbereitete: Die Programme waren nicht rechtzeitig eingetroffen
und die Mikrophone schepperten schlimmer als erwartet. Vor allem
die Stimme Erwin Schrotts war davon betroffen: Seine Nummern,
Leporellos Registerarie aus Don Giovanni, in die das opernferne
Publikum auch brutal mitten hineinklatschte, und Mephistos Rondo
vom Goldenen Kalb aus Faust klangen völlig verfremdet, ganz
anders als man sie von den Live-Auftritten des Künstlers in
diesen Rollen gewohnt ist. Später wurde die technische Anlage
wohl nachjustiert, denn Schrott klang in den Ensembles und bei
Banquos Arie und bei seinen unvermeidlichen Tangos eher wie er
selbst., eben wie der wunderbare Bassbariton mit satter Tiefe
und müheloser Höhe, als den wir ihn kennen.
Auch Anna
Netrebkos Prachtsopran litt durch die technische Verstärkung:
Jedes Atemholen wurde unbarmherzig verstärkt, vor allem in der
an und für sich glänzend mit der Kraft eines spinto-Soprans
gesungenen Arie der Butterfly „ Un di vedremo“, die sie statt
der in München gewählten Juwelenarie aus Faust vortrug.
Ganz hervorragend gelang ihr die leidenschaftliche, in Saint
Sulpice spielende Verführungsszene von Massenets Manon mit
Kaufmann als Des Grieux. Hier wurde das Konzertpodium
tatsächlich zur Bühne ! Auch die zweite Arie der
Leonora aus dem Trovatore mit den anschließenden Miserere und
sogar der Cabaletta zeigten das Potential der immer großer und
dramatischer werdenden Stimme. Glanzpunkt des Abends war
für mich das Tauf-Terzett aus Verdis I Lombardi: Weder auf der
Bühne noch auf Schallplatten habe ich dieses grandiose Ensemble,
eine von Verdis berückendsten Eingebungen, jemals von so
exzellenten Künstlern gesungen gehört. Aus dem Finalterzett von
Gounods Faust wurde leider nur ein Fragment vorgetragen, aber so
mitreißend, dass man sich nach einer vollständigen Aufführung
des Werkes in dieser Besetzung sehnte. Der Engelschor
war leider gestrichen. Ich hätte ihn weit lieber gehört als ein
wenig inspiriertes Intermezzo aus irgend einer Zarzuela. Sehr
reizvoll dagegen war ein Duett Netrebkos und ihres Verlobten aus
Porgy and Bess, in dem die Künstlerin mit ihrer pastosen Tiefe
exzellieren konnte.
Von tückischer Technik am
wenigsten beeinträchtigt war die Stimme Jonas Kaufmanns mit dem
unvergleichlichen dunklen Timbre und der strahlenden, geradezu
explosiven Höhe. Seine Stimme klang eher wie man sie von Bühne
und Konzerten kennt, wohl weil Kaufmann sich weise von den
Mikrophonen weiter entfernt hielt als seine Partner. Er begann
mit Cielo et Mar aus Ponchiellis La Gioconda. Den Schlusston
ließ zu einem mächtigen Fortissimo anschwellen- technisch
makellos bewältigt und unglaublich effektvoll. ! Tief bewegend
Turiddus Abschied von der Mutter aus Mascagnis Cavalleria- man
kann diese so häufig auch von anderen bedeutenden Künstlern
gehörte Nummer wohl kaum ausdrucksvoller singen. Kaufmanns
glänzende Beiträge zu den Ensembles aus Manon, Trovatore und
Faust habe ich bereits erwähnt. Er trug dann noch Taubers „Du
bist die Welt für mich“ vor- ein Stück, das er schon vor zehn
Jahren einmal in Wien für eine Fernsehaufnahme gesungen hatte,
wie er erzählte. Als Zugabe schenkte er „Freunde des Leben ist
lebenswert“ aus Lehars Giuditta, wofür er den wohl stärksten
Applaus des Abends erhielt..
Anna Netrebko, die
vor der Pause in einer gelben und nach der Pause weit
vorteilhafter in einer blauem Atlasrobe erschienen war, gab zum
Entzücken des Publikums „O mio babbino caro“ zu- eine Nummer,
die den Leuten wohl von den Fernsehauftritten der Künstlerin
bekannt war, denn schon nach den Anfangstakten applaudierten
sie. Schrott sang einen Tango, der wohl nicht recht in das
anspruchsvolle Programm passte, aber auch freundlich beklatscht
wurde.