Kronen Zeitung, 19.1.2011
THOMAS GABLER
Massenet: Werther, Wiener Staatsoper, 17. Januar 2011
Frühlingsatem im Bühnenmief
 
Mit der großen Liebe in den leisen Tod: "Werther" Jonas Kaufmann und "Charlotte" Sophie Koch
Warum einst Pierluigi Samaritanis zwar auch umstrittene, luxuriöse, aber weitaus stimmungsvollere Inszenierung aus den 1980er Jahren vernichtet wurde, bleibt schleierhaft. Andrei Serbans Installation von Jules Massenets Drama Lyrique hat kein bisschen Atmosphäre, wirkt gealtert mit seinem Getriebe unter der tausendjährigen Eiche und dem Mief der 50er Jahre. Da ist es selbst für große Singdarsteller wie Sophie Koch und Jonas Kaufmann nicht leicht, die Poesie über die Rampe zu bringen. Nicht ganz so strahlend und leidenschaftlich wie erwartet zeigt sich Kaufmanns Werther: Wunderbar gelingt ihm dennoch das berühmte "Pourquoi me réveiller" mit dem perfekt gehauchten Frühlingsatem "ô souffle du printemps". Mühelos steigert er sich in den Höhen, spannt er einen schönen Massenet-Bogen, wenn auch nicht ganz so überzeugend wie in Paris. Sophie Koch ist eine ideale Geliebte Charlotte. Zuerst verspielt romantisch, dann sehnsüchtig und im Finale wunderbar innig präsentiert sich dieses von Werther und Albert (Adrian Eröd) so begehrte Wesen und stimmlich makellos und voll dramatischer Schönheit. Rundum etwas blass der Rest des Ensembles mit Ileana Tonca (Sophie) an der Spitze. Das größte Manko des Abends bleibt aber die orchestrale Seite: Dirigent Frédéric Chaslin beschert Wucht und vulgären Ton statt Sinnlichkeit und große Bögen - und das Staatsopernorchester spielt dabei erstaunlicherweise mit.






 
 
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