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Kurier, 18.1.2011 |
Gert Korentschnig |
Massenet: Werther, Wiener Staatsoper, 17. Januar 2011
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Der Erste, dem man den Werther glaubt
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Jubel an der Wiener Staatsoper für ein fabelhaftes Paar:
Jonas Kaufmann als Werther, Sophie Koch als Charlotte.
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Die
Figur des Werther sei bisher diejenige gewesen, die zu erarbeiten ihm am
schwersten gefallen sei. Das sagte Jonas Kaufmann vor seinem Auftritt an der
Wiener Staatsoper im KURIER-Interview. Werther sei ein larmoyanter, nicht
besonders sympathischer, in jedem Moment zur Depression neigender Mann, den
glaubhaft darzustellen eine große Kraftanstrengung bedeute.
Was dem Startenor Kaufmann zum Dichter, der ob seiner unerfüllten Liebe zu
Charlotte den Freitod wählt, eingefallen ist, kann man seit Montag im Haus
am Ring sehen, ja geradezu bewundern. Er zeichnet auf der Bühne einen
neurotischen, an der Zivilisation gescheiterten, grauenhaft egozentrischen
Sonderling, der nicht und nicht kapieren will, was wahre Liebe auch bedeuten
kann: Nämlich den anderen im Glück zu wissen, sich selbst also
zurückzunehmen.
Musik-Theater
An der Staatsoper findet also glücklicherweise ein Schauspiel mit Musik und
Gesang statt. Hier finden zwei Personen zueinander, werden aus äußeren
Umständen getrennt und erst im Tod Werthers wieder eins. Was Jonas Kaufmann,
der Antiheld in der Titelpartie, und Sophie Koch, die von ihm so sehr
begehrte und nie an seiner Seite sein dürfende Charlotte, darstellerisch
vollbringen, erinnert daran, was Anna Netrebko und Rolando Villazón in ihren
besten Zeiten Opernbesuchern erzählten. Aber verdrängen wir diesen Vergleich
sofort wieder, weil Traumpaare hat es in der Oper schon viele gegeben, und
die wenigsten sind auch lange genug solche geblieben.
Schwärmen wir lieber von den gesanglichen Leistungen, die den Abend
musiktheatralisch vollkommen machten. Kaufmann, der tönt wie ein Bariton,
aber über die nötigen Höhen, dazu ein wunderschönes Timbre, Farbenpracht in
der Stimme und exzellente Technik verfügt, ist im französischen Fach ein
Großmeister. Er ist gesanglich der zur Zeit denkbar beste Werther und
darstellerisch der erste seit Ewigkeiten, dem man diese Partie glaubt.
Sophie Koch ist idealbesetzt als unterkühlte Charlotte, bei der die
Leidenschaft nur kurz aufblitzt. Ihr Mezzo ist berührend, enorm groß und zu
allen Facetten imstande. Der Bariton Adrian Eröd als Werthers Gegenspieler
Albert hat es schwer, weil die enorm maskuline Ausstrahlung diesfalls vom
Tenor kommt. Bezaubernd Ileana Tonca als Sophie.
Einzige Schwachstelle ist Dirigent Frederic Chaslin am Pult des
Staatsopernorchesters. Er agiert kraftmeierisch und scheint nicht zu
verstehen, worum es geht: Zwei grandiose Sänger glänzen zu lassen. |
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