"Schön wars, aber kalt”, sagte eine Dame beim Rausgehen. Wegen
der luftigen Randbebauung ist der Königsplatz ein recht zugiger
Konzertsaal. Nur ein paar Schritte weiter Richtung
Stiglmaierplatz wird es fühlbar ein paar Grad wärmer. So
ungerecht kleinteilig ist unser musikfeindliches Stadtklima.
Freundlicherweise fiel aus den dräuenden Wolken kein
Tröpflein. „Ich hätte mich für meine Heimatstadt
furchtbar geschämt, wenn wir den Bach runtergegangen wären”,
sagte Jonas Kaufmann. Dann grüßte er zur Musikhochschule in die
Arcisstraße hinüber, wo er 1994 erfolgreich examiniert wurde.
„Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass ich einmal hier
singen würde!” Eine Ovation der studentischen Zaungäste
antwortete ihm vom Dach der Hochschule.
Kaufmann imponierte im „Addio alla madre” aus Pietro Mascagnis
„Cavalleria rusticana” mit einer Italianitá, wie sie kein
deutscher Tenor vor ihm je hatte. Auch beim Richard-Tauber-Lied
„Du bist die Welt für mich” fühlte er sich sichtlich wohl. Als
Zugabe schmetterte er Franz Lehàrs „Freunde, das Leben ist
lebenswert” mit einer überschwänglichen Heldenkraft, die nach
seinem verschatteten Liederabend im Nationaltheater doch
überraschte.
Bei Kartenpreisen von 95 bis 341
Euro regierte überhaupt der Überfluss: Im Unterschied zur
Arienabend-Normalroutine drängten sich die Orchesterstücke nicht
übermäßig in den Vordergrund. Gounods „Rondo vom Goldenen Kalb”
und die Kerkerszene aus Verdis „Troubadour” gab es hochseriös
komplett mit dem Philharmonischen Chor.
Sind die
Netrebko, ihr Verlobter und Kaufmann wirklich einen Haufen Geld
wert, mag sich mancher Zuhausegebliebener fragen. Sie sind es,
weil sie das Konzertpodium in jeder Szene in eine Opernbühne
verwandeln und jedem Einzelnen der rund 15000 Zuhörer das Gefühl
geben, sie würden für ihn persönlich singen.
Beim Duett aus Gershwins „Porgy and Bess” wurde einem warm ums
Herz: Hier gab Anna ihrem Verlobten endlich das keusche
Küsschen, welches sie vor der Pause in der Szene aus Massenets
„Manon” Jonas Kaufmann verweigerte. Die Temperatur stieg bei
Erwin Schrotts Zarzuela-Nummer weiter, ehe sie im bombastische
Finale aus Gounods plüschigem „Faust” zum offiziellen Beschluss
nach zweidreiviertel Stunden wieder leicht um einige Grad
abfiel. Viele Zuhörer rannten bibbernd weg, ohne die eilig
abgespulten Solo-Zugaben inklusive Tango und „O mio babbino
caro” ganz abzuwarten. Ein krönendes Terzett Nummero drei gab
das Opernrepertoire ohnehin nicht her.
Die Verstärkung
begünstigte die Sänger und ließ die Prager Philharmonie unter
Marco Armiliato hart scheppern, wo es auf brillante Höhen
ankäme. Das kann „Klassik am Odeonsplatz” besser. Ein paar
Nummern wirkten nicht überprobiert, aber das ist bei solchen
Events egal. In einem echten Sommer wär’s ein unvergesslicher
Abend geworden. Nördlich von Verona ist Musik unter freiem
Himmel halt immer eine Wette aufs Wetter. Selbst im Süden soll
es manchmal Gewitter geben.