München . Die diesjährigen Münchner Opernfestspiele warteten mit
einer Fülle von Liederabenden ihrer Stars auf; so waren kurz vor
dem Saisonfinale in direkter Nachbarschaft der Straubinger
Christian Gerhaher und der gleichaltrige Münchner Jonas Kaufmann
zu erleben. Der Erste ist originärer Liedsänger, der sich seine
Opernpartien sorgsam aussucht, der Zweite ist originärer
Opernsänger, der immer wieder Ausflüge zum Lied unternimmt. Wo
beim Liedsänger eine ausgesuchte Dramaturgie das Programm
bestimmt, lässt sich der Opernsänger nur partiell auf Jubiläen
ein und singt ansonsten, was ihm besonders liegt.
Beim
Abend mit Jonas Kaufmann im ausverkauften Nationaltheater waren
zwischen beiden Sängern mehr als nur graduelle Unterschiede
festzustellen.
Den ersten Teil seines Liederabends
widmete Kaufmann den Jubilaren des Jahres: Liszt und Mahler,
wobei ihm Liszts teils expressive Lieder besser lagen als die
meist introvertierten Rückert-Lieder Mahlers. Strahlend der
Auftakt mit der aggressiven Vertonung des Heine-Textes
„Vergiftet sind meine Lieder“, danach „Im Rhein, im heiligen
Strome“, besser bekannt aus Schumanns „Dichterliebe“. Kaufmann
fand hier zu erhaben-monumentalen Tönen, sein stets tragendes
Piano blieb zunächst noch seltsam gaumig. Weniger balladesk als
Schubert fasst Liszt Goethes „König in Thule“; die ungestüme
Vertonung kommt Kaufmanns Sängernaturell ebenso entgegen wie
„Die drei Zigeuner“. Man hörte bis hierher viel opernhafte Töne;
der Tenor gestaltete die dramatischen Texte mit seiner perfekten
Belcanto-Technik.
Die fünf Rückert-Lieder Mahlers
verlangen vom Sänger hingegen völlige Zurücknahme, fast
durchgehend leise Töne. Sie werden gern von tieferen
Frauenstimmen gesungen, mit denen sie auch am wirkungsvollsten
sind.
Die nach der Pause zunächst erklingenden fünf
„mélodies“ des Saint-Saëns-Freundes Henri Duparc (1848-1933)
zeugen von der Wagner- und Berlioz-Schwärmerei französischer
Romantiker. Der Schwerpunkt ist nicht auf eine thematische
Durchdringung von Gesangs- und Klavierstimme gelegt, sondern
einzig auf den melodiösen Fluss der vokalen Linie; das Klavier
schafft dazu den atmosphärischen Unterbau. Hier wie zuvor und
auch bei den nachfolgenden Strauss-Liedern war Helmut Deutsch
ein einfühlsamer Begleiter.
Kaufmann sparte sich seine
Glanznummern bis zum Schluss auf: Mit fünf Strauss-Gesängen,
quasi kleinen Opernszenen, aus unterschiedlichen
Schaffensperioden gelangen ihm wahre Kabinettstückchen
(„Junggesellenschwur“); so schön gezeichnet hat man die großen
melodischen Bögen lange nicht mehr gehört.
Heftiger
Beifall und, wie immer bei Kaufmann, eine Reihe bewährter, auch
schon auf CD eingespielter Zugaben, wie „Zueignung“, „Ach weh
mir unglückhaftem Mann“, „Heimliche Aufforderung“ und
„Freundliche Vision“.