Mittelbayerische Zeitung, 28. Juli 2011
Von Gerhard Heldt
Liederabend, München, 26. Juli 2011
Melodische Bögen wie lange nicht gehört
 
Jonas Kaufmann legt im Münchner Nationaltheater ein imposantes Crescendo hin.
 
München . Die diesjährigen Münchner Opernfestspiele warteten mit einer Fülle von Liederabenden ihrer Stars auf; so waren kurz vor dem Saisonfinale in direkter Nachbarschaft der Straubinger Christian Gerhaher und der gleichaltrige Münchner Jonas Kaufmann zu erleben. Der Erste ist originärer Liedsänger, der sich seine Opernpartien sorgsam aussucht, der Zweite ist originärer Opernsänger, der immer wieder Ausflüge zum Lied unternimmt. Wo beim Liedsänger eine ausgesuchte Dramaturgie das Programm bestimmt, lässt sich der Opernsänger nur partiell auf Jubiläen ein und singt ansonsten, was ihm besonders liegt.

Beim Abend mit Jonas Kaufmann im ausverkauften Nationaltheater waren zwischen beiden Sängern mehr als nur graduelle Unterschiede festzustellen.

Den ersten Teil seines Liederabends widmete Kaufmann den Jubilaren des Jahres: Liszt und Mahler, wobei ihm Liszts teils expressive Lieder besser lagen als die meist introvertierten Rückert-Lieder Mahlers. Strahlend der Auftakt mit der aggressiven Vertonung des Heine-Textes „Vergiftet sind meine Lieder“, danach „Im Rhein, im heiligen Strome“, besser bekannt aus Schumanns „Dichterliebe“. Kaufmann fand hier zu erhaben-monumentalen Tönen, sein stets tragendes Piano blieb zunächst noch seltsam gaumig. Weniger balladesk als Schubert fasst Liszt Goethes „König in Thule“; die ungestüme Vertonung kommt Kaufmanns Sängernaturell ebenso entgegen wie „Die drei Zigeuner“. Man hörte bis hierher viel opernhafte Töne; der Tenor gestaltete die dramatischen Texte mit seiner perfekten Belcanto-Technik.

Die fünf Rückert-Lieder Mahlers verlangen vom Sänger hingegen völlige Zurücknahme, fast durchgehend leise Töne. Sie werden gern von tieferen Frauenstimmen gesungen, mit denen sie auch am wirkungsvollsten sind.

Die nach der Pause zunächst erklingenden fünf „mélodies“ des Saint-Saëns-Freundes Henri Duparc (1848-1933) zeugen von der Wagner- und Berlioz-Schwärmerei französischer Romantiker. Der Schwerpunkt ist nicht auf eine thematische Durchdringung von Gesangs- und Klavierstimme gelegt, sondern einzig auf den melodiösen Fluss der vokalen Linie; das Klavier schafft dazu den atmosphärischen Unterbau. Hier wie zuvor und auch bei den nachfolgenden Strauss-Liedern war Helmut Deutsch ein einfühlsamer Begleiter.

Kaufmann sparte sich seine Glanznummern bis zum Schluss auf: Mit fünf Strauss-Gesängen, quasi kleinen Opernszenen, aus unterschiedlichen Schaffensperioden gelangen ihm wahre Kabinettstückchen („Junggesellenschwur“); so schön gezeichnet hat man die großen melodischen Bögen lange nicht mehr gehört.

Heftiger Beifall und, wie immer bei Kaufmann, eine Reihe bewährter, auch schon auf CD eingespielter Zugaben, wie „Zueignung“, „Ach weh mir unglückhaftem Mann“, „Heimliche Aufforderung“ und „Freundliche Vision“.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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