Liszt war der unangefochtene Tasten-Paganini des 19.
Jahrhunderts, so sehr er sich auch mühte, aus dem erschöpfenden
Klavier-Zirkus auszusteigen und Anerkennung als sinfonischer
Komponist zu finden. Ein Jammer - doch es scheint, als würde
sich auch in Zukunft nichts daran ändern, obwohl sich die
Berliner Staatskapelle (plus Staatsopernchor) unter Daniel
Barenboim in der Philharmonie kräftig für Liszt ins Zeug legten.
Als unwiderstehlich tenorale Hilfskraft hatten sie sich
überdies Jonas Kaufmann verpflichtet, der stimmstark und
gleichzeitig zart und anrührend Liszts "13. Psalm" zu singen
verstand. Er durfte denn auch seine zu Recht vielgeliebte Stimme
dem mystischen Chor bemischen, der Liszts groß angelegte
"Faust-Sinfonie in drei Charakterbildern" beschließt.
Die "Faust-Sinfonie" ist keine musikalische Plauderei, die
sich mit einer sinfonischen Nacherzählung der Handlung von
Goethes Dichtung begnügt. Sie trägt den Kopf der Sinfonie
unerschütterlich hoch, folgt unbeirrt den überkommenen
Formgesetzen und erzählt, allerdings etwas weitschweifig,
dramatisch Allbekanntes vor sich hin. Sie beschränkt sich dabei
auf Porträts: am ausgiebigsten natürlich auf das undurchsichtige
von Faust. Darauf dann, mit liebevollster Hand gezeichnet, das
von Gretchen. Als sinfonischer Rausschmeißer muss natürlich
Mephisto herhalten. Er stellt sich anfangs beinahe koboldhaft
vor, ein unterhaltsamer Kleinmeister des musikalischen Spaßes.
Der Männerchor (mit Solo-Tenor) kehrt überraschenderweise
noch einmal für ein paar beschließende Minuten aufs
Konzertpodium zurück. "Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis"
konstatiert er mit Goethes berühmten Versen. Vielleicht kann man
da den Hinweis heraushören, dass auch die "Faust"-Sinfonie
Liszts bei all ihren Meriten eher dem Vergänglichen zuzurechnen
ist als der musikalischen Unsterblichkeit.