ESSEN. Wie befreit atmete Jonas Kaufmann durch, als ihm die
große Turid-du-Arie „Mamma, quel vi-no" aus Mascagnis
blutrünstigem sizilianischen Verismo-Drama „Cavalleria
rusticana" mit allem gebotenem Feuer glückte. Das Publikum in
der Essener Philharmonie tobte.
Da hatte sich der
Startenor aus München vollends freigesungen. Sympathisch offen
wirkte die unverblümte Geste der Erleichterung. Kaufmann ist
nicht der Oberflieger, der Alleskönner, den die Musikindustrie
vermarktet. Von Beginn an trug das Publikum in der nahezu
ausverkauften Philharmonie den Beau mit der Bilderbuchkarriere
auf Händen. Dabei war anfangs ein leicht kehliges Knödeln ebenso
wenig zu überhören wie die Mühe, die in der Mittellage fundierte
Stimme mit ihrem männlich herben, dunklen Timbre exakt
einzuschwingen. Registerwechsel und Phrasierung glücken Kaufmann
völlig mühelos. Und das früher kritisierte Vibrato ist völlig
gewichen. Sein Tenor besitzt berückende Strahlkraft auch ohne
üppiges Volumen.
Das Programm unterstrich seine
fulminante Entwicklung vom lyrischen Fach zum jugendlichen
Helden. Den Italienern des Verismo-Umfelds war der erste Teil
gewidmet. Wagner dominierte nach der Pause. Mit welch
überzeugender Intelligenz Kaufmann seine Partien gestaltet,
bewies berührend die große Poeten-Szene aus Giordanos
Revolutionsoper „Andrea Chenier". Hier offenbarte sich die große
Kunst dieses Sängers: die Fähigkeit, das sprachliche Idiom zu
musikalisieren und die Durchdringung von lyrischer Emphase und
dramatischer Wucht. Schon die Szene des Romeo aus Zandonais
„Giulietta e Romeo" zeigte, mit welcher Bravour sich Kaufmann
aus der mezza Voces zu scharfer Dramatik aufschwingt. Wie
feinnervig, wie gesanglich er bei seinem einzigen Ausflug ins
schwere Heldenfach als Siegmund „Winterstürme wichen dem
Wonnemond" aus Wagners „Walküre" intoniert, ist schlichtweg
grandios. Und wie lyrisch hell er die Gralserzählung des
Lohengrin, seiner Glanzpartie in Bayreuth, eröffnet, um dann mit
dunklem Zauber sein Geheimnis zu offenbaren, war zweifellos ein
Glanzstück eines klar artikulierten, lm Wohlklang schwelgenden
vorbildlichen Wagner-Gesangs.
Unter den drei Zugaben
gab's als besonderen Dank den Lehar-Schmachtfetzen "Dein ist
mein ganzes Herz" *. Dabei hatten die Bochumer Symphoniker unter
ihrem hellwachen Gastdirigenten Jochen Rieder mit sinfonischen
Zuckerln von Verdis Ouvertüre zur „Sizilianischen Vesper" über
Ponchiellis ,Tanz der Stunden", dem Vorspiel zum vierten Akt von
Catalanis ,La Wally", dem Bacchanal aus Saint-Saens' "Samson et
Dalila" bis zu den beiden „Lohengrin" Vorspielen zum ersten und
zum dritten Aufzug nicht gerade gegeizt.
* Es war "Du
bist die Welt für mich"