Seit Jahren macht der Staatsopernchefmusikus Daniel Barenboim
auch die Staatsopernkammermusik selbst. Zur Eröffnung seines
„Barenboim-Zyklus“ im Schiller Theater hat er sich mit Dorothea
Röschmann und Jonas Kaufmann gleich die erste Garde der
international erfolgreichen Sängerschar auf die Interimsbühne
geladen. Zum 200. gibt es ausschließlich Liszt, und der
wirkt auf dem hochgefahrenen Orchestergraben erstaunlich intim. Man
hat den Eindruck, Barenboim habe ins Wohnzimmer gebeten: rundherum
Stühle, rundherum aufmerksame Neugierde, das Haus ist ausverkauft.
Kein Wunder, Rösch- und Kaufmann sind unstreitig: Sie
verstehen Handwerk und Kunst. Auch wenn die Sopranistin
ihre zuweilen allzu opernhafte Dramatik dominieren lässt.
Kaufmann ist für den erkrankten Thomas Quasthoff eingesprungen und
gestaltet die höchst unterschiedlichen Partien bravourös zwischen
Parlando und Schmachtschmelz – das ist beim Kunstlied gerade für
sogenannte Stars eine echte Herausforderung. Trotzdem
bleibt die Heldenrolle Franz Liszt selbst vorbehalten, dessen
unbekanntes Liedgut sowohl dramaturgisch als auch kompositorisch
erlesen ist. Mit welcher Originalität gern unterschätzter Komponist
an die Textvertonung ging!
Verdiente Bravi auch für den Pianisten Barenboim: Mag er
vielleicht nicht als der größte Techniker gelten, ist er doch ein
begnadeter Musikarchäologe, der mit bescheidener Geste Großes
auslesen kann. Und daraus ersteht ja die Kunst: dass einer die Musik
versteht und verständlich zu machen weiß.