In der Berliner Staatsoper im Schillertheater sangen am Freitag,
begleitet von Daniel Barenboim am Klavier, die Sopranistin
Dorothea Röschmann und Tenor Jonas Kaufmann vor ausverkauftem
Haus. Jonas Kaufmann trat anstelle von Bariton Thomas Quasthoff
auf, der aus gesundheitlichen Gründen abgesagt hatte.
Liszt, der unterschätzte Liedkomponist
Liszts Lieder stehen im Schatten seiner gewaltigen Klavierwerke.
Doch waren sie zu ihrer Zeit hochmodern, da sie verschiedene
musikalische Strömungen, die sich erst Jahrzehnte später
manifestierten, vorweg nahmen.
Mit den klassisch
strukturierten Liedern Schuberts sind Liszts Lieder kaum
vergleichbar, eher sind sie Klangbilder, die in spannungsreichen
Harmonien, teilweise mit gewagten musikalischen Wendungen und
virtuosen Einschüben, auf die Texte der Dichter antworten. Liszt
schien seine Lieder, ähnlich seinen Klavierwerken, wie aus einem
grenzenlosen Klangraum herauszukristallisieren, quasi als
Momentaufnahme einer Emotion, die selbstverständlich klingen
soll. Und genau deshalb ist ihre Darbietung eine Feuerprobe für
die Interpreten. Mit seiner flachen Akustik ist das
Schillertheater ein schwieriger Ort für solche Musik, die von
schwebender Unfassbarkeit lebt. Doch einige faszinierende
Augenblicke gelangen Barenboim und den Sängern.
Zwischen Zartheit und zu viel Pathos
Die
Sopranistin Dorothea Röschmann bestritt den ersten Teil des
Abends. Technisch makellos, aber ziemlich kühl und etwas
unausgeglichen wirkte ihr schlanker Sopran. Gerade am Anfang
schien dies von Nervosität herzurühren, später legte sich ihre
Anspannung etwas. Barenboim, der mit geöffnetem Flügel spielte,
war eins mit der Musik und begleitete sie behutsam, aber es
wirkte etwas nebeneinander her. Ihre besten Momente hatte
Röschmann in den verhaltenen Stücken, wie zum Beispiel „Der du
von dem Himmel bist“, wo sie eine sehr zarte Herangehensweise
wählte.
Liszts dramatisch ausgeschmückte Version von
Heinrich Heines Loreley, der Höhepunkt des ersten Teils, wirkte
dagegen etwas überspannt und gespielt. Trotzdem gab es großen
Applaus für Röschmann, die sich mit einer Zugabe in die Pause
verabschiedete.
In der Ruhe liegt die Kraft
Im Teil zwei bildeten Barenboim und Jonas Kaufmann
ein wahres Dreamteam. Die beiden fanden vom ersten Moment zu
lückenloser atmosphärischer Dichte und beeindruckender Synergie.
Kaufmanns energiegeladene Ruhe, die ihm die absolute
Konzentration auf die Musik erlaubt, übertrug sich im Moment
seines Auftritts auf das Publikum und die Liszt´schen
Klangmeditationen funktionierten auf einmal.
Kaufmann
konnte subtil alle Nuancen seiner Stimme auskosten, in der sich
Tiefen und Höhen übergangslos mischen und die Lieder als Meister
der leisen Töne ausmalen. Die Grenze zur Oper streifte er
elegant und nur wo nötig (zum Beispiel mit der packenden Version
des „König von Thule“ über wogenden Klavierklängen). Maximal
ging er bis zum Forte, das genügte bereits, um das Publikum in
Bann zu schlagen ...
Die launige Erzählung „Die drei
Zigeuner“ (nach einem Text von Nikolaus Lenau) wurde der
heimliche Höhepunkt des zweiten Teils, denn hier hatte auch
Barenboim die Gelegenheit, sich gekonnt in den Vordergrund zu
spielen. Mit den Drei Sonetten von Petrarca (auf Italienisch
gesungen) entfaltete Kaufmann in überraschenden melodiösen
Phrasen noch einmal seine ganze Leidenschaft und
Wandlungsfähigkeit. Selbstverständlich gab auch er eine Zugabe
(„Freudvoll und leidvoll“)
Nach minutenlangem Applaus
sangen Röschmann und Kaufmann zum Schluss noch etwas gemeinsam.
„Leider ist das nicht mehr von Liszt“, entschuldigte sich
Barenboim humorig, als er das Duett „In der Nacht“ von Robert
Schumann ankündigte. Es wurde ein sehr klangschöner und
entspannter Moment, der vom Publikum begeistert aufgenommen
wurde.