Was hat der Liederabend von Jonas Kaufmann in der Konzerthalle
am Freitag mit den Bayreuther Festspielen zu tun? Vielleicht
eine ganze Menge.
Denn genau vor einem Jahr war der seit
Jahrzehnten erste deutsche Tenor, der den Status eines Weltstars
erreicht hat, als Lohengrin auch der Star der Bayreuther
Festspielpremiere 2010. Dass er bei zwei der fünf weiteren
Festspiel-Vorstellungen wegen Erkrankung ausfiel, kann jedem
Sänger passieren - vor allem wenn er sich in der
Höchstleistungsklasse der Wagnerhelden bewegt.
Terminprobleme in Bayreuth?
Als er nicht mehr
auf der Besetzungsliste für Bayreuth 2011 stand, war doch
mancher verblüfft. Einige Spatzen pfiffen von den Hügeldächern,
dass die Festspielintendantinnen ihn angeblich deshalb nicht
mehr engagiert haben, weil der optimal in die Inszenierung
eingearbeitete Sänger wegen anderer Termine für eine Hauptprobe
nicht zur Verfügung gestanden hätte. Sei's drum. Die veränderte
Terminlage eröffnete die Möglichkeit, den großen Liederabend im
Rahmen der Münchner Opernfestspiele schon vorab auszuprobieren.
In Bamberg.
Um es kurz zu sagen: Es war ein Ereignis. Für
einen Liederabend mit Klavierbegleitung und Spitzenpreisen von
fast 110 Euro pro Karte war die Konzerthalle überraschend gut
gefüllt. Laut Veranstalter NürnbergMusik waren rund 1200
Besucher gekommen, um den 42-jährigen Sänger zu erleben, der
auch deshalb eine große Ausstrahlung hat, weil er einfach
verdammt gut aussieht. Mindestens ebenso gut singen kann er
auch.
Spannender, schlüssiger Abend
Wer ihn wie ich bisher nur in Opernproduktionen mit großem
Orchester erlebt hat, konnte durchaus skeptisch sein. Würde er
auch in der Königsklasse, im Liedgesang bestehen? Noch dazu mit
einem spätromantischen Programm, das auf den ersten Blick
wirkte, als wollte man mal eben ein paar Jubiläen abarbeiten.
Aber weit gefehlt. Die Lieder von Franz Liszt, Gustav Mahler,
Henri Duparc und Richard Strauss fügten sich zu einem spannenden
und schlüssigen Abend, weil sich ihrer hier zwei Musiker
annahmen, die beide die Kunst der wohlkalkulierten Steigerung
und der feinen Differenzierung beherrschen.
Bei Jonas
Kaufmann kommt hinzu, dass er den unterschiedlichsten Gefühle,
die er als Liedprotagonist weitergibt, in einer atemberaubend
großen dynamischen Spannbreite beherrscht - vom zerbrechend
zarten, kostbar duftenden Piano in Mahlers "Ich atmet' einen
linden Duft" bis zum heldentenoralen Aplomb - auch und vor allem
in den Liedern von Henri Duparc, die eine Entdeckung für sich
sind.
Kaufmanns Liedinterpretation ist deshalb so reich,
weil der Künstler das, was er vorträgt, in dem Moment zu
durchleben scheint. Seine stimmliche Wandlungsfähigkeit findet
ihr Pendant in einem überaus lebendigen Gesichtsausdruck, der
von einem Zustand zum anderen fliegt. Helmut Deutsch am Flügel
war ein ebenso mitfühlender und vorausdenkender Partner, der
sich über jede noch so kleine Ausdrucksvariante des Sängers zu
freuen schien. Beider Konzentration und Energieleistung übertrug
sich auch das begeisterte Publikum, das sich erst nach der
dritten Zugabe zufrieden gab. O Glück!