Fast auf den Tag genau vor einem Jahr feierte Jonas
Kaufmann als Lohengrin sein umjubeltes Debüt am Grünen Hügel von
Bayreuth. Am Freitagabend präsentierte er sich in 70 Kilometern
Entfernung in der Bamberger Konzerthalle Sinfonie an der Regnitz
als Liedsänger von höchstem Rang.
Dabei
durchschritt der gebürtige Münchner, der mit 42 Jahren immer
noch jugendlich wirkt und dem der jungenhafte Schalk aus den
Augen blitzt, die kompositorischen Welten der so
unterschiedlichen musikalischen Persönlichkeiten Franz Liszt,
Gustav Mahler, Henri Duparc und Richard Strauss. Sie alle eint
zwar die Fragilität einer durch die Morgendämmerung der Moderne
mehr und mehr infrage gestellten romantischen Klangsprache, doch
im Detail sind die individuellen Unterschiede enorm. Etwa die
ekstatische Glaubensspannung in Liszts „Ihr Glocken von
Marling“, die Kaufmann mit innigem Pathos auflädt. Zuvor beweist
er epische Prägnanz und dramatisches Feingefühl in Liszts
Version von Goethes „Der König in Thule“. Und dessen
Heine-Vertonungen „Vergiftet sind meine Lieder“ und „Im Rhein,
im schönen Strome“ changieren gekonnt zwischen zornigem Aplomb
und lyrischer Innigkeit.
Um wie viel diesseitiger,
wenngleich nicht weniger kunstvoll, wirkt doch Strauss’
Heine-Adaption „Schlechtes Wetter“ – oder das Wunderhorn-Lied
„Junggesellenschwur“. Kaufmanns in allen Lagen fein
ausbalancierter Tenor mit seinem abgedunkelten, soliden
Fundament in der Tiefe kann hier ebenso ironisch funkeln wie
heldisch glänzen.
Dass er dabei in dem 1400 Plätze
fassenden, sehr gut gefüllten Saal so selbstsicher, ja geradezu
locker wirkt, ist auch das Verdienst von Helmut Deutsch am
Flügel. Der gebürtige Wiener formt am Steinway auf kleinstem
Raum Klangdramen, etwa in Gustav Mahlers „Ich bin der Welt
abhanden gekommen“, das er als subtil abgestuften, elegischen
Weg in die Dunkelheit formuliert. Und wie klar und kühl funkelt
im Nocturne „Um Mitternacht“ der Diskant, wie berührend gemahnt
der Flügel an die vergehende, einsam vorüberziehende Lebenszeit!
Auch Jonas Kaufmann läuft bei Mahlers Rückert-Vertonungen zu
Höchstform auf, weil er der von Trauer durchtränkten lyrischen
Sehnsucht von „Ich atmet’ einen linden Duft“ oder „Liebst Du um
Schönheit“ immer auch eine vitale Brise vokalen Aufbegehrens
entgegensetzt.
Und als symbolistisch aufgeladene,
mysteriös schillernde Preziosen überzeugen Duparcs Lieder – etwa
„L’invitation au voyage“ (nach Baudelaire) oder das von Abschied
erfüllte „Phidylé“.
Von Abschied wollte das begeisterte
Publikum nach gut eineinhalb Stunden dagegen nichts wissen.
Immer wieder holte es applaudierend Kaufmann und Deutsch auf die
Bühne zurück. Und beide bedankten sich für den Zuspruch mit drei
Strauss-Zugaben: „Ach weh mir unglückhaftem Mann“, „Zueignung“
und „Heimliche Aufforderung“. Absolute Spitzenklasse!