|
|
|
|
|
Klassik.com |
Prof. Dr. Michael Bordt |
|
Bizét: Carmen, Bayerische Staatsoper, 5. Februar 2011 |
|
Glutvolle 'Carmen'
|
|
Bizets Oper 'Carmen' mit Jonas Kaufmann in einer seiner Paraderollen, dem
Don José, stand wieder einmal auf dem Spielplan der Bayerischen Staatsoper.
Die Produktion ist aus dem Jahr 1992 "nach" Lina Wertmüller, wie es im
Programmheft heißt, und sie lässt den Sängerinnen und Sängern viel Raum, in
einem etwas angestaubt-klassischen Bühnenbild (Enrico Job) ihre Freiheiten
zu entfalten. Spanische (und eher peinliche Pseudo-Flamenco-Folklore) gibt
es auch - aber was soll's? Wenn ein Abend dermaßen emotional und dramatisch
musiziert wird, dann kann man über so etwas hinwegsehen.
Und
hochemotional war der Abend tatsächlich. Der eigentliche Star des Abends
hieß aber nicht Jonas Kaufmann, noch Anita Rachvelishvili als Carmen,
sondern Dan Ettinger, der die musikalische Leitung innehatte. Schon mit den
ersten Takten der Ouvertüre wurde deutlich, dass hier jemand am Pult stand,
der ebenso exakt wie auch hochemotional zu dirigieren im Stande ist. Dass es
eine Repertoireaufführung und keine länger geprobte Premiere war, konnte man
dem Orchester nicht entnehmen, das ihm und seinen groß ausladenden, aber
auch immer sehr genauen Gesten gerne folgte. So gelang es Ettinger, selbst
den mittlerweile zu Kaufhaushintergrundmusik degradierten "Schlagern" der
Oper frischen Wind einzuhauchen, so, als höre man sie zum ersten Mal. Leider
ließ sich dasselbe nicht von dem Chor behaupten, der hörbar seine x-te
'Carmen'-Aufführung sang und die Subtiliäten der Interpretation von Ettinger
nicht umsetzete.
Dafür ließen sich die Sängerinnen und Sänger von
seiner Interpretation größtenteils anstecken. Allen voran Anita
Rachvelishvili mit einer dunklen, erotischen, außerordentlich kraftvollen,
vielleicht manchmal etwas kurzatmigen Stimme. Rachvelishvili verfügt über
eine gute Bühnenpräsenz; man glaubt ihr die Rolle, die sie verkörpert.
Jonas Kaufmann zeigt, vor allem in der letzten Szene der Oper, eine
etwas eigenwillige Interpretation. Das Schlussduett geht er außerordentlich
ruhig an, aber was wohl bedrohlich still wirken soll, verpufft etwas auf der
großen Bühne. Warum er zum Messer greift, wird aus seinem Rollenportrait
nicht wirklich plausibel. Die Verzweiflungstat glaubte man ihm nicht
wirklich, weil er eine derart heftige Reaktion nicht bereits in den ersten
beiden Akten, in denen er vor allem mit seiner kraftvollen Höhe, aber auch
mit seinen berühmten Piani zu punkten wusste, angelegt hat. Kyle
Ketelsen als Escamillo steigerte sich von Szene zu Szene, nachdem er mit
seiner berühmten Auftrittsarie doch etwas Schwierigkeiten hatte, den
kraftvollen und vielleicht auch etwas zu lauten Vorgaben des Orchesters zu
folgen. Aga Mikolaj als Micaela ließ ihren Sopran mit ein wenig Mühe dann
doch wunderbar strömen, und auch die Nebenrollen waren bestens besetzt.
Besonders das Schmugglerquartett mit Dominik Köninger als Dancairo, Kevin
Conners als Remendado, Eri Nakamura als Frasquita und Julia Faylenbogen als
Mercédès war musikalisch und darstellerisch eine Freude. Großer
Applaus, vor allem für Kaufmann und Ettinger. |
|
|
|
|
|
|