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Stuttgarter Nachrichten, 30. Juni 2010 |
Susanne Benda |
Puccini: Tosca, Bayerische Staatsoper, München, 28. Juni
2010
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Premiere von heute im Staub von gestern
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Bayerische Staatsoper: Beim Auftakt der Münchner
Opernfestspiele mit "Tosca" ist Jonas Kaufmann der einzige Aktivposten |
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War da was? Wie jedes Jahr Ende Juni liegt am Montagabend wieder ein langer
roter Teppich auf den Stufen der bayerischen Staatsoper, wie jedes Jahr Ende
Juni erfreuen sich wieder viele Schaulustige an vielen edel gekleideten und
manchen wichtigen, prominenten Menschen, die zur Eröffnung der
Opernfestspiele aus Limousinen steigen. Doch was für eine Enttäuschung
erlebt man drinnen! Luc Bondy hat unmöglich Scheinendes geleistet: Er hat
Giacomo Puccinis "Tosca" tatsächlich so inszeniert, dass vom packenden,
grausamen Drama nur mehr Unbeholfenes, Ungenaues und Unwahrscheinliches
übrig bleibt. Prädikat: nicht festspieltauglich. Das Publikum spendet, so es
denn nicht ob des Missverhältnisses zwischen dem Preis der Eintrittskarten
und der auf der Bühne produzierten Langeweile paralysiert ist, der von der
New Yorker Met übernommenen Inszenierung matten Beifall.
München hat nun also eine neue "Tosca", die, weil die Personen auf der Bühne
kaum je wirklich geführt werden, schon jetzt anmutet wie abgespieltes
Repertoire. Daran, dass Puccinis Musik manchmal leider auch so klingt, sind
mehrere schuld - auch Fabio Luisi, dem am Pult des Bayerischen
Staatsorchesters zwar ein sehr detailorientiertes, gestenreiches Musizieren
mit schönen Klangmomenten gelingt, nicht jedoch eine präzise Vernetzung mit
der Bühne.
Immer wieder gerät die Koordination von Rhythmus, Tempo und Klangfarben aus
den Fugen, und manchmal ist das Orchester so laut, dass die Sänger mächtig
drücken und stemmen müssen, um die grelle, schrille Klangfassade zu
durchdringen. Vor allem der farb- und konturlose Juha Uusitalo leidet
darunter - im eigentlich doch so knallig-wirkungsvollen ersten Finale geht
sein Scarpia, obwohl ihm hier Massen von Chorsängern und Statisten zur Seite
stehen, völlig unter. Mit ihm stirbt das Böse, das diese Oper maßgeblich
vorantreibt; mit ihm stirbt das Drama. Als Scarpia im zweiten Akt (wo Bondy
dem geilen Tyrannen drei Nutten beigesellt) selbst ablebt, ist das weder
schlimm noch eine Genugtuung. Selbst Tosca steckt ihre Mordtat recht munter
weg und räkelt sich neben der Leiche auf dem Sofa.
Womöglich ist Karita Mattila, der die hohen Töne schwer zu schaffen machen,
zu diesem Zeitpunkt aber auch einfach nur froh, dass sie sich nun nicht mehr
lange mit teilweise nur sehr ungefähren Ergebnissen durch die Titelpartie
mogeln muss. Kurze, schöne Momente gelingen der finnischen Sopranistin wohl,
doch insgesamt ist die Tosca mit ihr zu schwer und zu alt besetzt - so wenig
Beifall wie jetzt nach dem "Vissi d"arte" in München hört man selten. An
diesem Haus, das seine Sänger in letzter Zeit auch nach ihrem Aussehen
castete, erstaunt die Besetzung ganz besonders.
Einen Aktivposten hat die Produktion aber doch: Jonas Kaufmann gibt einen
Cavaradossi, der selbst einen so viel gedudelten Tenor-Hit wie das "E
lucevan le stelle" zu veredeln und neu zu beleuchten weiß - wie der Sänger
diese Arie ganz aus dem Leisen heraus auf seinem sicheren baritonalen
Fundament aufbaut und wie er dann mit feinem Farbkontrast die Sphäre des
Traums von der Wirklichkeit scheidet: Das ist wirklich höchste Kunst.
So schön wie Jonas Kaufmann stirbt zurzeit kein deutscher Tenor den wohl
hinterhältigsten aller Operntode. Retten kann der Sänger in München
allerdings weder die Figur, der er seine edle Stimme lieh, noch den Rest des
Abends. Nachdem ein kurzer Lichtstrahl eine Statistin im Tosca-Look
gezeigt hat, die sich in der Engelsburg ein bisschen weit aus dem Fenster
lehnt, geht auf der Bühne das Licht aus. Endlich.
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