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Die Welt, 30. Juni 2010 |
Manuel Brug |
Puccini: Tosca, Bayerische Staatsoper, München, 28. Juni
2010
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Diese Tosca küsst ziemlich kalt
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Liebe! Eifersucht! Folter! Totschlag! Mord! Selbstmord! Puccinis "Tosca" ist
anno 1900 vorweggenommener Kintopp und Kolportage, billig, brünstig,
schaurig schön - und unheimlich genial. Schamlos auf den Effekt
ausgerichtet. Vulgär, aber klasse. Im ewigen emotional lodernden
Operndreieck Sopran-Tenor-Bariton kämpfen der anarchische Maler Cavaradossi
und der skrupellose Polizeichef Scarpia um die Gunst der schönen Sängerin
Tosca. Am Ende sind alle tot.
Man darf diese herrliche Mischung aus Camp, Melos und Grand Guignol
eigentlich nur neuinszenieren, wenn man drei Topsänger hat. Dirigent und
Regisseur sind dann wohl noch notwendig, aber nicht wirklich von Bedeutung.
Dachte man sich auch an der Bayerischen Staatsoper, engagierte drei
gegenwärtige Goldkehlen und wollte trotzdem auf Nummer sicher gehen. Die in
Repertoireehren ergraute Götz-Friedrich-Inszenierung von 1976, in der ein
gewisser Plácido Domingo in der Premiere das Publikum zur Raserei getrieben
hatte, wurde 2007 entsorgt. Der exakt am 17. Juni 1800 in den Wirren des
französisch-österreichischen Kriegs spielende Rom-Schocker ist zwar - selbst
gut abgehangen - als Publikumsrenner und unkomplizierter
Sängerdurchschleuser in jedem großen Haus aber notwendig, dankbar und
pflegeleicht.
Es wurde der teure, aber seit einigen Jahren als Regisseur uninteressante
Luc Bondy engagiert, um das Werk im vergangenen Herbst in New York
herauszubringen. Jetzt hat er es (bei minimaler Anwesenheit) in München
geklont. Nächste Saison wird es in Mailand noch einmal dupliziert. Also
haben die Metropolitan Opera und die Bayerische Staatsoper, bald auch die
Scala die gleiche "Tosca". Was früher kein Problem darstellte. Diese
überflüssige "Tosca" allerdings, die zu Sonderpreisen die Münchner
Opernfestspiele eröffnete, obwohl sie schon live per Satellitenübertragung
hier im Kino zu sehen war, ist so altmodisch und hässlich wie schlecht.
An der Met ersetzte sie eine selbstredend üppig ausdekorierte
Vorgängerproduktion von Franco Zeffirelli und wurde deshalb ob ihrer
Kargheit und vermeintlichen europäischen Avantgarde-Ausrichtung (fast) zum
Skandal. In München dagegen gähnte man ob der Uninspiriertheit,
Stummfilmgestik und unfreiwilligen Komik. Luc Bondys vorgebliche
Verweigerungen der Konvention heißen Schummer- oder Schwefellicht,
routinierte Theaterfundusfummel (freilich von Milena Canonero entworfen),
eingefrorene Bewegungen und lachhaft an der Grenze zur Parodie inszenierte
Figurenarrangements.
Schon in New York wurde in der Titelrolle Karita Mattila heftig kritisiert.
München aber war froh, die teure Finnin jetzt in einer ihr bereits bekannten
Inszenierung erstmals zu präsentieren. Wüsste man nicht, was für eine
großartige Künstlerin diese Sängerin ist, wie sie glüht, ein Haus in Atem
hält, man wäre entsetzt. Und ist es auch so. Sie singt mit dauerbelegter
Stimme wie unter schwerer Bronchitis. Tosca als Primadonnen-Oma, der fast
jede Linie verrutscht, die die Töne nur ungefähr anpeilt, röchelt, knurrt.
Die aber nie das nervöse, liebesbrodelnde Theatertier und der Divenvamp ist,
denn man erwartet. Es fehlt zudem Wärme und Verlangen. Diese Tosca küsst nur
kalt. Das ist keine Mattila-Rolle und wird es nicht mehr. Schnell weg damit!
Jonas Kaufmann hingegen hat den Cavaradossi in diversen
Repertoireaufführungen staubiger Uraltinszenierungen schon frisch, pianofein
und stilistisch großartig gesungen. Nicht an diesem fatalen Abend. Da
regierte Kraft, Angespanntheit, Routine. Man kannte die Stimme kaum.
Juha Uusitalo, der Scarpia, war in New York während der Proben entfernt,
offiziell krank geworden. Und ist auch jetzt nur eine wohltönende
Nulllösung: ein greinendes Riesenbaby, dem man den Lutscher weggenommen hat.
Schlimm zudem, was aus dem Graben tönte. Ein konfuser Fabio Luisi kannte als
"Tosca"-Variationen nur zu langsam oder zu laut. Das hat Puccini nicht
verdient. Fand auch das Publikum - und geizte geradezu mit Applaus.
Fraglich ist von wem diese Kurzkritik in der gleichen Zeitung
geschrieben wurde:
Lichtblick
Wenn Startenor Jonas Kaufmann (Foto) nicht gewesen wäre - die neue "Tosca"
der Staatsoper zum Auftakt der Opernfestspiele am Montagabend wäre komplett
baden gegangen. Luc Bondys düstere Inszenierung schleppt sich drei Stunden
dahin. Es fehlen lichte Momente. Für die ist Kaufmann zu preisen: Sein
geschmeidiger Tenor überstrahlt die Mattheit der Premiere, vor allem seine
leisen Töne sind ein Genuss.
Jedenfalls scheint man sich bei der "Welt" nicht so ganz einig zu
sein. |
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