Salzburger Nachrichten,  30. Juni 2010
Hedwig Kainberger
Puccini: Tosca, Bayerische Staatsoper, München, 28. Juni 2010
Gescheiterter Brückenschlag in die USA
 
Brückenschläge zwischen Europa und den USA scheitern nicht nur in Klimapolitik oder Bankensteuer, sondern auch in der Oper. Dies zeigt eine Neuinszenierung von Giacomo Puccinis „Tosca“. Als diese im Herbst des Vorjahrs an der Metropolitan Opera in New York herauskam, bekam Regisseur Luc Bondy dafür vom Publikum einen Buhorkan zu hören.

Am Dienstagabend wurden mit der gleichen Inszenierung die Münchner Opernfestspiele eröffnet. Was in New York zum Skandal gereicht hatte, erschien in München bieder und wenig innovativ. Wären beim Te Deum neben den rot-gold und schwarz-gold gewandeten Priestern noch ein paar mehr Ministranten mit Spitzenüberwurf, hätte man diese Szene als karajan- oder zeffirellitauglich einstufen können. Am moralisch bedenklichsten mag sein, dass Scarpia, der widerliche Chef der Geheimpolizei, in der Kirche eine Marienstatue lüstern umarmt (siehe Bild). Nur was ist daran unanständig, dass der ärgste Bösewicht der Opernliteratur sich schlecht benimmt?

An Luc Bondys Regie beeindruckt, wie scheinbar schlicht, ja, klassisch er erzählt. Er tut dies mit wohlüberlegter Konsequenz und detailreicher gestischer Präzision. Alle drei Hauptfiguren – Tosca, Cavaradossi und Scarpia – sind als große, eigenwillige Charaktere gezeichnet, und doch holt Luc Bondy immer wieder deren Verlogenheit oder Bigotterie ans Licht. Dass der Mesner das Weihwasserbecken aus einem schäbigen Blechkübel füllt und lässig ein Kreuzzeichen nachwirft, dass Scarpias Bediensteter sich erfrecht, vom Tisch seines Herrn zu naschen, sind Zeichen, wie brüchig die vermeintlich übermächtigen Systeme des katholischen Glaubens und der absolutistischen Herrschaft um 1800 – zu dieser Zeit spielt das Stück – geworden sind.

Jonas Kaufmann ist ein Cavaradossi wie aus dem Bilderbuch, von fescher Gestalt, mit geschmeidiger Bewegung und dunklen Locken. Seine Stimmkraft ist famos, etwa wenn er als Gefolterter vom Sieg der Revolutionstruppen erfährt und mit gigantischer Emphase „Vittoria!“ schmettert. Auch Karita Mattila als Tosca singt formidabel, wenn sie eifersüchtig, rachedurstig oder von Scarpia angeekelt ist. Und Juha Uusitalo als Scarpia bringt die Abgründe und Brutalität des Diktators gut zum Ausdruck. Doch fehlt etwas an diesem Abend: der Schmelz in jenen Melodien, die vor innigster Sehnsucht nach Liebe und Glück jedes Herz so erweichen, dass man sogar einem lüsternen Despoten, einer affektierten Diva oder einem eitlen Künstler sofort verzeiht.

Dirigent Fabio Luisi leitet das Bayerische Staatsorchester durch Liebesmelodien und Gewaltrhythmen, Eifersuchtsbrausen und Triumphgesänge, er bringt die Instrumente in funkelndes Strahlen. Doch gelingt es musikalisch zu selten, die Parallelwelten dieser Oper zu verschmelzen, oft klingen Freudenfest und Foltergewalt, Liebesbegehren und Revolution sonderbar nebeneinander.






 
 
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