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Die Presse, 30. Juni 2010 |
WALTER DOBNER |
Puccini: Tosca, Bayerische Staatsoper, München, 28. Juni
2010
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"Schweinerei": Luc Bondys "Tosca" enttäuscht
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Die Münchner Opernfestspiele begannen mit der bereits in New York
durchgefallenen Inszenierung. |
Foto: Bayerische Staatsoper |
Das Bild ist bekannt: Bei Misserfolgen müssen stets andere als Sündenböcke
herhalten. Weil seine mit der New Yorker Met, der Mailänder Scala und der
Bayerischen Staatsoper – wo sie jetzt gelandet ist – koproduzierte Tosca bei
der Premiere in New York durchgefallen ist, holte Regisseur Luc Bondy zum
Rundumschlag gegen Franco Zeffirelli aus. Dessen Tosca steht nach wie vor
auf dem Spielplan der New Yorker Oper.
Auch Regisseure, die sich bei ihren Arbeiten selbst in den Vordergrund
drängen, kritisiert Bondy gern. Und was macht er bei seiner Tosca? Er deutet
Scarpia zu Stalins Geheimdienstchef Beria um, führt zusätzlich drei Nutten
ein, denn, so Bondy, „diese Oper ist doch eine ganz dicke Schweinerei, in
der gehurt und gefoltert wird“. Mit weniger Atmosphäre als hier lässt sich
der erste Akt, nicht zuletzt das zur Persiflage herabgewürdigte Te Deum,
nicht zeigen. Nicht in einem Florentiner Palast, sondern in der
Rotlichtszene wähnt man sich im zweiten Akt, mehr auf dem Dach eines
anonymen Industriegebäudes als auf der Plattform der Engelsburg im Finale,
wo Cavaradossi erst dann tot zusammensackt, nachdem Tosca ihn berührt hat.
Personenführung findet erst gar nicht statt. Vieles wirkt wie zufällig. Dass
die Musik die Bewegungsabläufe wesentlich vorgibt, wird in dieser
Inszenierung nicht erkennbar. Entsprechend unprofiliert und blass erscheinen
die Charaktere der Protagonisten. Selbst Scarpia bleibt unentschlossen,
welche Rolle er spielen soll. Seiner Umdeutung hätte es damit gar nicht
bedurft. Davon abgesehen, dass sie sich ohnedies unmissverständlicher im
Bondy-Interview eröffnet als auf der von Robert Peduzzi vor allem pompös
gestalteten Bühne.
Ideal: Kaufmann als Cavaradossi
Freilich hätte es für den machthungrig-sadistischen Baron Scarpia einer
weitaus dämonischer agierenden Persönlichkeit bedurft als des auch vokal zu
Unschärfen neigenden Juha Uusitalo. Und für die Titelpartie hätte man sich
eine mit natürlicherer Leidenschaft auftretende, vokal weniger angestrengt
wirkende Persönlichkeit gewünscht, als es Karita Mattila an diesem Münchner
Premierenabend vorzeigte. Damit standen beide noch mehr im Schatten von
Jonas Kaufmanns in jeder Hinsicht ideal und mit packender Emotion
gezeichneten Cavaradossi. Mit klarer Artikulation, bis ins Detail überlegter
Phrasierung, aber auch gestisch (soweit es Bondys immer wieder zum
Frontaltheater neigende Inszenierung zuließ) machte er das Schicksal des
gleichermaßen für politische Gerechtigkeit wie seine Liebe zu Tosca
brennenden Malers deutlich. Seinetwegen lohnt diese Aufführung. Einen
besseren, glaubhafter und präziser die Vorgaben Puccinis realisierenden
Interpreten für diese Rolle wird man heute kaum finden.
Guter Durchschnitt die von Christian Van Horns vokal klar konturiertem
Angelotti angeführten übrigen Comprimarii. Untadelig die von Stellario
Fagone einstudierten Choristen der Bayerischen Staatsoper samt dessen
Kinderchor. Fabio Luisi am Pult des immer wieder erfolgreich um klangliche
Differenzierung bemühten Bayerischen Staatsorchesters erwies sich als
sensibler Begleiter der Sänger. Souverän sorgte er für Balance von Bühne und
Orchestergraben, lenkte bewusst den Blick vorrangig auf die melancholisch
gefärbten, ruhigeren Passagen der Partitur, ohne damit deren dramatischen
Ausbrüche zu nivellieren. |
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