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KlassikInfo.de, 29. Juni 2010 |
Klaus Kalchschmid |
Puccini: Tosca, Bayerische Staatsoper, München, 28. Juni
2010
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Die Frucade des Teufels
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Foto: Bayerische Staatsoper |
Mit einer Tosca in Starbesetzung mit Karita Mattila, Jonas Kaufmann und
Fabio Luisi am Pult eröffnet die Bayerische Staatsoper ihre Opernfestspiele
- nur der Regieaufguss Luc Bondys war nicht unbedingt festspielwürdig
Toscas "Vissi d'arte" bleibt selbst im szenischen Zusammenhang der
erpresserischen, brutalen Nötigung Scarpias zum Beischlaf meist eine
Wunschkonzertnummer. Nicht so bei der Premiere zur Eröffnung der
Opernfestspiele im Nationaltheater. Denn Karita Mattila zeigt hier, wie in
einem Menschen ein ganzes Leben zusammenbricht. Also singt sie den
erschütternden Abschied von ihrer Kunst als gefeierte Sängerin und von allen
Idealen ihres Lebens wie unter Tränen und am Ende mit fast erstickter
Stimme. Das ist die ganz große Kunst einer Sängerdarstellerin auf der
Musiktheaterbühne.
Vergleichbares gelingt der Finnin an diesem Abend immer wieder. Schon ihr
erster Auftritt in der Kirche zeigt uns: Floria Tosca ist eine umjubelte
Sängerin, eine Diva. Jede Geste eine Pose, jeder Zentimeter des Raums wird
in Beschlag genommen, alles ist ihr Bühne. Also legt sie die weißen Lilien
für die Madonna nicht einfach am Seitenaltar ab, sondern streut sie
dekorativ über die Stühle. Wie Tosca beginnt mit dem Cavaradossi Jonas
Kaufmanns immer körperbetonter zu turteln, auch das ist eine subtile
Mischung aus Zuneigung und sich in Szene Setzen, wenn auch ohne Publikum.
Ganz anders der Kontakt zu Scarpia, der infam ihre Eifersucht schürt, um
seine politischen Gegner aufzuspüren. Wenn sich Tosca neben ihm sitzend auf
seinen Oberschenkel stützt oder später ihren einer Ohnmacht nahen Körper von
ihm aufrecht halten lässt, dann schürt sie damit ungewollt seine Geilheit
und ist zugleich Verweis auf die Katastrophe des Folgenden. Hier ist die
Präzision eines Luc Bondy in der Zeichung eines Charakters mit Händen zu
greifen, wird ganz präzise der Konflikt des zweiten Akts vorbereitet.
Doch gerade in diesem zentralen mittleren Akt spürt man, dass Bondy die
Münchner Wiederaufnahme seiner Met-Produktion, die auch an der Mailänder
Scala gezeigt wird, kaum selbst betreut hat, sondern hauptsächlich von
Johannes von Matuschka einstudieren ließ. Jonas Kaufmann und Karita Mattila
waren in New York dabei, nicht aber Juha Uusitalo als Scarpia. Und das sieht
man, denn wirklich gefährlich scheint dieser mächtige Polizeichef nie,
vielmehr ist der glatzköpfige finnische Hüne mit fast sanftem, eher hellem,
wenig durchschlagskräftigem Bariton vokal und sogar körperlich erstaunlich
harmlos. Da helfen auch die mehrfach gezeigten Übergriffe auf Tosca nichts.
Und die Idee, gleich zu Beginn drei Playboy-Häschen Scarpia füttern und ihn
befummeln zu lassen - was in New York für Aufsehen sorgte - zielt ins Leere.
Denn sein menschenverachtendes Credo, das er an dieser Stelle ohne Zuhörer
aus sich herausschleudert, wird verkleinert durch eine derart banale
Bordell-Szene.
Selbst Richard Peduzzis Bühnenbild - im ersten Akt eine beeindruckend hohe,
düstere Backstein-Basilika, im letzten ein leerer Raum mit nur zwei Säulen
am Rand, die fast aussehen wie Schlote und einer Treppe, die zu ihnen
hinaufführen - ist dazwischen (bei Puccini soll es der Palazzo Farnese)
erstaunlich indifferent und wenig aussagekräftig. Wie eine Hotellobby sieht
das aus mit einem großen, hohen Fenster, zwei roten Plüschsofas, einem
Schaukelstuhl (!) für Scarpia und einem modernen Schreibpult vor einer Karte
- wohl Roms - an der Seitenwand. Opulent und historisch angehaucht - vor
allem im "Te Deum" am Ende des ersten Akts sind die Kostüme von Milena
Canonero. Und auch später bleiben sie, zumindest was den Schnitt angeht, in
der Zeit um 1800, in der die Handlung spielt.
Das wirklich Faszinierende an dieser "Tosca" ist freilich der musikalische
Teil: Schon mit den ersten, dissonant gegeneinander gesetzten, gewaltigen
Akkorden, die Scarpias Welt wie in einem Brennglas umreißen, zeigt Fabio
Luisi mit dem exzellenten Staatsorchester, dass es ihm um einen sehr
präzisen Röntgenblick auf die Partitur geht, aber zugleich um größtmögliche
Spannung der Gegensätze. Also hat schon dieser Beginn eine lauernde
Gefährlichkeit, kommt später die Musik nach fulminanten, aber knappen
Ausbrüchen immer wieder zu einer vermeintlichen, bedrohlichen Ruhe. Aber
diese Momente werden nicht ausgekostet, vielmehr überbrücken sie ? wie in
jedem guten Thriller auf der Leinwand - die Zeit zwischen zwei aggressiven,
schneidenden Attacken. Puccinis Schocker wird so zum raffinierten Opernkrimi
in permanenter Hochspannung aus dem Graben.
Neben Karita Mattila ist Jonas Kaufmann der Star des Abends auf der
Bühne. Denn mit welch sensibler Kraft er den Cavaradossi gibt, mit welcher
Fähigkeit zur Modulation seines ebenso baritonal dunkel gefärbten wie zu
glanzvollen Spitzentönen fähigen Tenors, das ist immer wieder staunenswert.
Sein "E lucevan le stelle" war nicht nur wunderbar im Orchester vorbereitet,
sondern nicht minder schön gesungen. Wenn bei Mattila an diesem
Premierenabend gewisse Unebenheiten in der Tongebung und Grenzen bei den
Spitzentönen hörbar wurden, aber dennoch nicht ins Gewicht fielen, so waren
das bei Kaufmann Momente, in denen er im Spiel auf der Bühne etwas privat
blieb, um doch sofort wieder in seine Rolle zurückzufinden. Ergreifend
gelang den beiden denn auch das Finale als ein intimer Dialog, in dem die
knapp bevorstehende Katastrophe in jeder Phrase mitzuhören war. |
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