Donaukurier,  29. Juni 2010
Barbara Angerer-Winterstetter
Puccini: Tosca, Bayerische Staatsoper, München, 28. Juni 2010
Starke Stimmen, laue Regie
 
Foto: Bayerische Staatsoper
München (DK) "Es fehlten nur die Gewehre, sonst hätte man mich erschossen", meinte Regisseur Luc Bondy in einem aktuellen Interview zur Reaktion auf seine Neuinszenierung der Puccini-Oper "Tosca" an der New Yorker Metropolitan Opera. Reaktionen, die nach der Übernahme der Produktion als Eröffnungspremiere der diesjährigen Münchner Opernfestspiele nicht zu verstehen sind.

Der renommierte Schweizer Regisseur gab am Montagabend sein spätes Staatsoperndebut – und wurde vom Premierenpublikum als überaus konventionell wahrgenommen. Was in New York schockte, war vielen Opernbesuchern hierzulande zu brav; andere wiederum genossen es, sich ungestört von der Regie ins Stück fallen lassen zu können. Über weite Strecken inszeniert Bondy sehr dicht an Puccinis Opernthriller entlang, vertraut der Sprengkraft des Werks und setzt nur wenige Akzente, die allesamt durchaus glaubwürdig sind. Wie etwa die Deutung Scarpias als Sadisten, dessen perverse Lüste noch nicht mal vor einer Madonnen-Statue halt machen. Ihm drei (überaus züchtige) Nutten im zweiten Akt an die Seite zu geben, erzeugte in New York einen Aufschrei – in München eher ein gelangweiltes Achselzucken. Der Finne Juha Uusitalo verkörpert den Polizeichef als fiesen Glatzkopf mit bulliger Erscheinung und ebenso kraftbetonter, voluminöser Stimme. Tosca dagegen ist für Bondy zwar die leidenschaftlich Liebende, die aus Eifersucht sogar das Bild einer vermeintlichen Nebenbuhlerin zerstört, aber auch die verletzliche, fast zerbrechliche Frau im zweiten Akt, die nach dem Mord an Scarpia aus Verzweiflung über ihre Tat beinahe selbst Selbstmord begeht.

Dass Karita Mattila genau diese Züge auch in ihr stimmliches Rollenportrait übernimmt, hat ihr manch einer im Publikum verübelt, der sich an der klassischen Interpretation einer dominierenden Tosca orientiert, die selbst Scarpia das Fürchten lehrt (wie es etwa Eva Marton oder Maria Callas getan haben). Karita Mattilas Stimme klingt durchwegs dramatisch, aber nie forciert und dabei immer wieder weich und schmeichelnd, wie die Stoffe der schönen Empire-Kostüme, in die Milena Canonero, die aus dem Film bekannte und oscarprämierte Kostümbildnerin, sie geschmackvoll hüllt. Wenn sich Mattila zum Duett mit Cavaradossi alias Jonas Kaufmann im Schlussakt aufschwingt, ist es der reinste Genuss, wie hier zwei Stimmen miteinander bruchlos verschmelzen.

Apropos Genuss: Jonas Kaufmanns Stimme ist derzeit auf ihrem Zenit. Sie hat den tenoralen Strahleffekt, den großen Glanz, setzt ihn aber nicht plakativ ein. Im Gegenteil: Seine Sternstunden hat Kaufmann immer dann, wenn er aufs Mezzavoce baut – und damit auf Zwischentöne, die man so noch nicht gehört hat. Seine musikalischen Gestaltungen sind dabei bis ins Details klug durchdacht und niemals dem Zufall überlassen. Auch das zeichnet einen wirklich großen Künstler aus.

Schade nur, dass es Bondy gerade in der Personenführung dieses musikalisch so wunderbar feinsinnig aufeinander abgestimmten Künstlerpaares doch sehr lau angehen lässt. Ein wenig mehr Interaktion zwischen den Personen, etwas mehr Psychologie hätten nicht geschadet. Zumal die kargen, mächtigen, faszinierend ausgeleuchteten Räume von Richard Peduzzi, irgendwo im 19. Jahrhundert angesiedelt, dazu genug Raum geboten hätten.

So füllte die Musik, was die Regie an Wünschen offen ließ. Neben den drei Hauptpartien mit Jonas Kaufmann als umjubeltem Star des Abends brillierte vor allem Fabio Luisi, der mit dem Bayerischen Staatsorchester einen fabelhaften Opernkrimi hören ließ. Langsam die Tempi (was ihm manche Buhs einbrachte), aber dennoch ungemein plastisch und packend der Zugriff: ein Puccini-Rausch, der die Tiefen des Werks auslotete. Und damit ein – mit szenischen Abstrichen – wahrhaft festspielwürdiger Abend!






 
 
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