KlassikInfo.de, 16. Mai 2010
Robert Jungwirth
Brahms: Rinaldo-Kantate, Konzert in der Philharmonie Berlin, Konzert am 15. Mai 2010
Kreuzritters Liebesklage
 
Claudio Abbado, Jonas Kaufmann, Christianne Stotijn und die Berliner Philharmoniker mit Männerchor boten in der Berliner Philharmonie ein ebenso ausgefallenes wie bemerkenswertes Programm
 
Bildunterschrift: Claudio Abbado und Jonas Kaufmann bei der Probe
Foto: Cordula Groth
(Berlin, 15. Mai 2010) Claudio Abbado war nie ein Freund des Mainstream. Das ist erfreulich, aber selbst unter den großen Interpreten der klassischen Musik - die es sich ja am ehesten leisten können, die Erfolg garantierenden Trampelpfade zu verlassen - nach wie vor eher die Ausnahme.

Es gehört eben nicht nur Mut, sondern auch viel musikalisches Wissen dazu, Unbekanntes zu wagen. Das ist für manche reizvoll, für andere abschreckend. So ist das eben.

Wer hat schon jemals etwas von der Kantate mit dem Titel "Rinaldo" von Johannes Brahms gehört? Abbado setzte sie aufs Programm seines Auftritts bei seinem ehemaligen Orchester in Berlin. Entstanden ist das gut halbstündige Werk 1863 aus Anlass eines Kompositionswettbewerbs der Aachener Liedertafel. Vollendet und uraufgeführt wurde es allerdings erst Ende der 60er Jahre.

So sind denn auch neben den arienhaften Abschnitten der Titelfigur Rinaldo jede Menge Chorszenen in dem Werk enthalten, in denen die Mitstreiter des Kreuzritters Rinaldo diesen zum Abschied von der Zauberin Armida bewegen. Das gelingt erst - wie wir aus Händels "Rinaldo"-Oper wissen - nachdem die Zauberkraft Armidas durch einen Gegenzauber gebrochen ist.

Brahms' Tonsprache in diesem Werk ist nicht allzu weit von der seines Requiems entfernt, das wenig später entstanden ist.

Doch klingt "Rinaldo" viel opernhafter, romantischer. Die heldische Tenorpartie des Rinaldos lässt mitunter an Wagner denken. Hier passte denn auch Jonas Kaufmann ideal als Interpret. Er gibt der Partie den nötigen Schmelz, ohne dabei pathetisch zu sein. Das gleiche gilt auch für die wunderbar transparent und dennoch sinnlich spielenden Philharmoniker, die Abbado zu beispielhafter Deutlichkeit in der Artikulation animierte.

Überragend auch die Herren des Berliner Rundfunkchores des Chors des BR, die sich hier in schönster Homogenität zusammengefunden haben - ein Klang, wie er brillanter und kraftvoller kaum sein kann.

So war denn dieser "Rinaldo" durchweg eine musikalische Entdeckung der Sonderklasse.

Da hätte Abbado für die erste Hälfte gut und gern auf das allzu unkonventionelle Programm mit drei Schubert-Goethe-Vertonungen in Orchesterbearbeitungen sowie zwei Stücken aus Schönbergs "Gurreliedern" verzichten können - zugunsten eines Solistenkonzerts und oder eines symphonischen Werks.

Die dahintersteckende Dramaturgie erschloss sich einem nicht recht, auch wenn man sich über die stimmlichen Qualitäten der jungen niederländischen Mezzosopranistin Christianne Stotijn sehr freuen durfte. Ein fantastisches Talent, gerade fürs spätromantisches Repertoire.

Gewiß waren auch die Regerschen Schubert-Lieder "Gretchen am Spinnrad" und "Nacht und Träume" entdeckungswürdig, interessant auch die Berliozsche Version des "Erlkönig", dessen verzweiflungsvoller Schluß Berlioz zu allerhand Orchesterfinessen hinriss. Dann aber ein Orchesterstück und das "Lied der Waldtaube" aus Schönbergs abendfüllenden "Gurreliedern" zu spielen, schien denn doch etwas seltsam und letztlich auch unbefriedigend - gerade weil Christianne Stotijn und das Orchester hier so phantastisch agierten.






 
 
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