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Der Neue Merker |
Ursula Wiegand |
Brahms: Rinaldo-Kantate, Konzert in der Philharmonie
Berlin, Vorstellung 15. Mai 2010
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Claudio Abbado und Jonas Kaufmann triumphieren
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Am Schluss, um einmal damit anzufangen, ist der Jubel in der Berliner
Philharmonie riesengroß. Gefeiert wird insbesondere der im Vorjahr von der
Fachzeitschrift Opernwelt zum Sänger des Jahres gekürte Tenor Jonas
Kaufmann.
Unter der exquisiten Leitung von Claudio Abbado ersingt er dem „Rinaldo“
von Johannes Brahms einen großartigen Erfolg. Denn diese hochromantische
„Kantate für Solo-Tenor, Männerchor und Orchester op. 50“ nach dem Text von
Johann Wolfgang von Goethe ist ein selten gespieltes Werk und trägt durchaus
opernhafte Züge.
Solche Raritäten auszusuchen, gehört zu Abbados Spezialitäten, und die
Berliner Philharmoniker folgen ihm mit hörbarer Begeisterung. Das gleiche
gilt für den fabelhaften Männerchor, gebildet von den Herren des
Rundfunkchors Berlin und denen des Bayerischen Rundfunks. Dieser Doppelchor
vertritt nachdrücklich die Aspekte ritterlicher Lebensweise und redet dem
liebestrunkenen Rinaldo energisch ins Gewissen.
Doch davon will der jugendliche Held – was im Falle von Jonas Kaufmann
auch optisch zutrifft – zunächst nichts hören. Voller Schmelz preist er die
Schönheit der geliebten Armida und der sie umgebenden Natur. Dennoch gleiten
seine Kantilenen nie ins Gefühlige ab. Unter Abbados Stabführung wird
auch Hochromantisches nicht zerdehnt.
Lange leistet Rinaldo dem Ruf, auf den Pfad der Tugend zurückzukehren und
sich von Armida zu lösen, hinhaltenden Widerstand. Erst als er sein vom
Liebesrausch entstelltes Gesicht sieht, das ein Schild widerspiegelt, geht
er nach inneren Kämpfen in sich. All’ das macht er mit entsprechendem
Wohllaut deutlich und schließt sich – nach Rückkehr ins Ritterdasein – dem
allgemeinen Jubel an. Dabei reiht er sich als primus inter pares in den
mächtigen Chorgesang und in die auftrumpfenden Instrumentalisten ein, ohne
sich forcierend heraus zu heben. Trotz aller Bravos gibt sich der Held
des Abends als engagierter und uneitler Star, der dem großen Claudio Abbado
und dem vielfach prämierten Simon Halsey, Leiter des Rundfunkchors Berlin,
keineswegs den Rang ablaufen will.
Auch der erste Teil dieses denkwürdigen Abends ist dem Gesang gewidmet und
zunächst Franz Schubert. Es geht um die Lieder „Gretchen am Spinnrade D 118“
sowie „Nacht und Träume D 827“ jedoch in Max Regers Orchesterfassung,
während sich Hector Berlioz der instrumentalen Gestaltung des „Erlkönig D
328“ angenommen hatte. Auch diese Versionen gehören zu den Raritäten.
Alle drei (!) Schubert-Lieder interpretiert Christianne Stotijn, lässt die
Zuhörer an Gretchens Unruhe teilhaben und ihren warmen Mezzo im
träumerischen zweiten Lied erblühen. Den Erlkönig interpretiert sie
nuancenreich und voller Dramatik.
Noch mehr bei sich scheint sie im „Lied der Waldtaube“ zu sein, einem von
Arnold Schönbergs „Gurreliedern“. Sie wurden zu dessen Lebzeiten sein
einziger Erfolg, kehrte er doch mit den Gurreliedern in die Romantik zurück
Bei der Uraufführung in Wien im Januar 1910 erntete er großen Beifall.
Die junge Sängerin gestaltet diese Ballade um den König, der die von seiner
eifersüchtigen Ehefrau getötete Geliebte zu Grabe trägt, sehr anrührend,
lässt es aber auch hier – unterstützt von den Philharmonikern - nicht an
Dramatik fehlen. Der Tod der Waldtaube, die der Falke zerreißt, wird zum
Ereignis. Leistungen, die vom Publikum stark applaudiert werden. Insgesamt
ein Abend der Besonderheiten und von besonderer Schönheit. |
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