Naja, könnte man sagen, es geht ja immer um dasselbe: Liebe, Lust, Leid,
und am Ende ist jemand tot. Das ist nicht ganz falsch, aber höchstens
die halbe Wahrheit: Mit dem, was er gerade macht, wandert Jonas Kaufmann
zwischen Welten. Gerade hat der Münchner Tenor eine CD mit Arien des
»Verismo« herausgegeben - italienische Opernmusik ab der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts, deren Schöpfer - Pietro Mascagni oder Ruggiero
Leoncavallo - eine Idee verband: große Gefühle mit großem musikalischen
Aufwand auszudrücken, um die schnöde Welt so auf die Bühne zu bringen,
wie sie sie sahen.
Und nun steht derselbe Jonas Kaufmann mit
seinem Klavierpartner Helmut Deutsch auf der Riesenbühne der Alten Oper
Frankfurt und verwandelt diese mit Franz Schuberts Liederzyklus »Die
schöne Müllerin« in ein stilles Kämmerlein. Dass der 41 Jahre alte
Opernstar das kann, hat er mit einer CD schon bewiesen. Und doch ist es
kaum zu glauben, dass der da vorn derselbe ist, der eben noch mit Glanz
und Glamour aus dem Lautsprecher die Liebespein des Romeo in Riccardo
Zandonais »Giulietta e Romeo« geschmettert hat.
Damit ist bei
Schubert nichts zu holen, der im Sinne seines Dichters Wilhelm Müller
die Wunden einer Seele in Bildern aus der Natur einfängt. Kaufmann
versucht es nicht mal im besitzanzeigenden »Mein« des entflammten und
später betrogenen Müllerburschen mit Auftrumpfen. Durfte er beim Verismo
- für Kaufmann »die ekstatischste Musik« - Farbe mit der Rolle
auftragen, so muss er in Frankfurt mit dem Pinsel ran. Kaufmann verdingt
sich aber nicht einfach als Maler der Schubertschen Landschaften,
sondern als großer Künstler.
Das abschließende Wiegenlied auf
einen Zerbrochenen ist bei ihm pure Zauberei; erstaunlich viele Nuancen
bringt er im Schnellsprech-Stück »Der Jäger« unter, und die Fahlheit der
»lieben Farbe« ohne Vibrato und ohne Terz scheint unübertrefflich.
Kaufmanns Bittersüße in den »trockenen Blumen« des tödlich Enttäuschten
lässt dann doch einen Augenblick lang an die Wirkungstreffer einer
italienischen Opernszene denken.
Das Leiden im Gesang hat umso
größeren Effekt, als der Tenor zuvor mit Eifer die Spielarten des
Verliebtseins durchdekliniert hat. Auch die Neigung, bei Sprüngen
gelegentlich etwas zu schmieren, kann als Plus an Authentizität
durchgehen.
Tod und Verderben kommen bei Schubert auf leisen
Sohlen daher: eine Molltrübung hier, plötzlich stockende Begleitfiguren
da. Das alles glaubhaft zu verkörpern, gelingt Kaufmann nicht nur wegen
des Reichtums seiner Stimme; nur zu Beginn schien sich eine gerade
überwundene Erkältung in der Höhe bemerkbar zu machen. Für den Erfolg
braucht es auch einen Mitspieler, der nicht einfach Begleiter sein will.
Helmut Deutsch kann mit wenigen Noten, das jeweils Wesentliche
skizzieren: Euphorie oder Einsamkeit. Das Manko allzu nahtloser
Übergänge zwischen den Liedern macht er wett mit kleinen Kunststücken:
Im Nachspiel des ziemlich munteren »Tränenregens« etwa steckt die ganze
Geschichte, die Jonas Kaufmann erzählt.
Bei beiden hat man den
Eindruck, dass musikalisches Verständnis und Wahrhaftigkeit in eins
gehen. Das sind gute Voraussetzungen, um zwischen den Welten zu wandern
und dabei zum Gipfel zu gelangen.
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