Wer hätte gedacht, dass man einmal würde
schreiben können, der Große Saal der Alten Oper Frankfurt sei genau
richtig dimensioniert gewesen für einen Liederabend. 2000 Zuhörer in der
Herbsthusten-Zeit, darunter etliche, die nach dem letzten Lied keinen
Sinn für ein Aus- und Nachklingen haben – die Grundbedingungen sprechen
eigentlich gegen so etwas Intimes wie das Schubert-Lied an diesem Ort.
Doch wenn Jonas Kaufmann, der Mann mit der größten Magnetwirkung
unter den deutschen Tenören derzeit, Franz Schuberts „Die schöne
Müllerin“ singt, wäre jeder Kammermusiksaal zu unmittelbar – einmal ganz
abgesehen von der Tatsache, dass das für den Veranstalter ein
finanzielles Desaster werden müsste.
Jonas Kaufmann braucht die
große Bühne. Nicht unbedingt seine Stimme benötigt den Raum, die kann er
nach Bedarf durchaus zurückfahren – eine Stimme übrigens, die viele
dunkle, baritonale Komponenten hat und die damit jedes Schubert-Lied
angenehm tragfähig macht. Nein, es braucht einfach eine gewisse Distanz
zwischen dem Sänger und dem Hörer, damit sich das Zuviel verliert.
Denn Jonas Kaufmann geht in Sachen Textdarstellung einen geradezu
opernhaft extremen Weg. Da wird jede indirekte Rede, und sei es auch nur
die des Baches am Schluss, betont abgehoben, da wird im ersten Lied die
„Frau Meisterin“ mit einem dicken Augenzwinkern angesprochen, da wird
mit Farbwechseln und Untertönen gar nicht gegeizt. Aus Franz Schuberts
„Schöner Müllerin“ wird in Frankfurt eine kleine romantische
Ein-Mann-Oper, „Ungeduld“ heißt die Arie, „Morgengruß“ bekommt das
Format einer großen dramatischen Szene – und all das auf sängerisch
höchstem Niveau.
Jonas Kaufmann übernimmt dabei selbst die Rolle
des Müllersburschen. Es spricht ein eindeutiges „Ich“ aus ihm, der
Interpret abstrahiert nicht, sondern er erlebt, maßlos und immer
mittendrin. Und darum war es gut, wie gesagt, dass der große Raum für
einen gewissen Hörabstand sorgte, jetzt in der Alten Oper. Was in der
Mitte des Saals ankam, war noch reichlich genug.
Den Pianisten
Helmut Deutsch dagegen hätte man gerne ein bisschen näher an sich
herangelassen, ist er doch einer der klarsichtigsten Klavierbegleiter
seit Jahrzehnten. Er verzichtet auf das Verdoppeln des Textes, sichert
dagegen die Substanz. Das Modulieren in „Am Feierabend“ kam noch nie so
organisch, die Oberstimme in der dritten Strophe von „Des Müllers
Blumen“ leuchtete bisher bei niemandem sonst so visionär heraus.