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Abendzeitung, München, 27. Juli 2010 |
Robert Braunmüller |
Wagner: Lohengrin, Bayreuth, 25. Juli 2010
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Ausgebrannte Nagetiere
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Hans
Neuenfels beschwört in Bayreuth den Untergang: Der Schwanenritter
„Lohengrin“ in einem Heer von Laborratten |
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Restlos
abwegig ist die Idee mit den Ratten nicht. Der wankelmütige Chor in
„Lohengrin“ gibt erst Telramund recht, bemitleidet Elsa ein wenig und
schlägt sich schnellstmöglich auf die Seite des Schwanenritters. Aber das
ist kaum so hinterhältig oder eklig, als dass der Tiervergleich wirklich
zutreffend wäre.
Eine der starken Bildwirkung entsprechende Botschaft des Regisseurs Hans
Neuenfels zeichnete sich aber den ganzen Abend nicht ab. Beim Auftritt des
Schwanenritters im ersten und zweiten Akt hängen die Herren des
Festspielchors die Rattenleiber in eine gen Himmel entschwindende
Kleiderkaue, wie man sie aus Bergwerksmuseen des Ruhrgebiets kennt.
Kriegslüstern werden die netten Viecher zuletzt ganz zu bösen Menschen, was
an moralisierender Plattheit kaum zu überbieten ist. Lohengrin war
allerdings kaum so widerwärtig gezeichnet, als dass sich der Versuch seiner
Beseitigung im Brautgemach durch vier Ratten hätte rechtfertigen lassen.
Beim Brautzug wackeln Rattenmädchen mit dem Schwänzchen
Folgerichtigkeit wollte die von Reinhard von der Thannen ausgestattete
Nagetierschau nicht bieten. Das Tapsen und Händchenwackeln der Viecher
ersparte Neuenfels die harte Mühe echter Chorregie. Gewiss lockte den
einstigen Sekretär von Max Ernst auch der surrealistische Schock: Er ist in
dieser Aufführung zum müden Altherrenwitz heruntergekommen.
Im zweiten Akt tricksen zwei Ratten lustig ihre mit Beruhigungsspritzen
fuchtelnden Bewacher aus. Beim Brautzug wackeln rosa Rattenmädchen niedlich
mit ihren Schwänzchen. Währenddessen stehen die Solisten improvisiert wie in
jeder x-beliebigen Routineaufführung herum. Man war schon dankbar, dass beim
Frageverbot gezeigt wird, wie nahe hier Liebe und Erpressung stehen.
Davor erscheint Lohengrin im weißen Hemd und umgehängter schwarzer
Krawatte wie der inszenierte Jonas Kaufmann auf seinen PR-Fotos. Der
Münchner erwies sich wiederum als einzig kompletter Lohengrin unserer Tage,
weil er die heroischen Passagen ebenso mühelos bewältigt wie die lyrischen
und auch noch gut aussieht.
Mangels Regie und Partnern war er jedoch nur halb so bewegend wie vor einem
Jahr im Nationaltheater. Mit ihrem starken Vibrato ist Annette Dasch vor
allem eine dramatische Elsa, die jedoch keine tieferen Seelenregungen beim
Zuhörer auslöst. Die übrige Besetzung blieb wacker unterhalb der
Festspielgrenze.
Gottfried als Ekelbaby
Der Dirigent Andris Nelsons nahm sich viel Zeit für verhaltene Stellen wie
Elsas Erzählung oder das Brautgemach. Dafür vernachlässigte er die Musik der
Haupt- und Staatsaktion. Das Finale des zweiten Akts mit seiner Schichtung
aus Chor, Orchester, Orgel und Bühnenmusik blieb ein mulmiges Einerlei.
Vieles wackelte, weil der begabte Lette mit der heiklen Situation des
Bayreuther Orchestergrabens nicht klar kam.
Gegen Ende wurde es immer platter, als sich bei der Gralserzählung ein
projiziertes Fragezeichen in ein Ausrufezeichen verwandelte. Zu schlechter
Letzt erschien Lohengrins Sargboot mit einem Ei, das den totgeglaubten
Gottfried als ekliges Baby gebar, worauf alle tot umfielen.
Und das Erwartbare folgte: Jonas Kaufmann und seine Kollegen wurden
heftig bejubelt, der Kusshändchen werfende Regisseur ausgebuht. Die
Wagner-Schwestern spendeten ihm Trost. Sie sind in die selbe Falle getappt
wie unser Opernzampano Nikolaus Bachler bei Mayrs „Medea in Corinto“. Der
früher geniale Neuenfels ist ausgebrannt. Er produziert nur noch
selbstverliebte Schlacke.
Foto: Eckehard Schulz AP |
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