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Hamburger Abendblatt, 26. Juli 2010 |
Von Hans-Juergen Fink |
Wagner: Lohengrin, Bayreuth, 25. Juli 2010
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"Lohengrin"-Neuinszenierung: Liebesversuch im Labor
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Die "Lohengrin"- Neuinszenierung zum Auftakt der
Richard-Wagner-Festspiele wurde überwiegend mit Beifall belohnt. |
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Bayreuth.
Am Ende des ersten Aktes schwebt der Schwan ziemlich gerupft vom
Bühnenhimmel und provoziert die ersten Lacher im Publikum. Sein Erscheinen
ist ein weiterer hübscher Hinweis darauf, dass die Idee, "Elsa und Lohengrin
dürfen einander lieben", für die eine gigantische Rettungs- und
Erlösungsaktion im Rattenlabor angezettelt wird, im weiteren Verlauf noch
ziemlich schiefgehen kann.
Regisseur Hans Neuenfels setzt Masse gegen Individuum in seiner
Interpretation von Wagners "Lohengrin". Der Chor, aus Käfigen entkommen,
umschnuppert in Rattenkostümen die Solisten. Schon bald wird klar, dass
nicht alles in Ordnung sein kann im Deutschen Reich; nur dreizehneinhalb
Minuten nach Beginn versucht Ratte Nr. 79 den König (Georg Zeppenfeld) zu
meucheln. Versuchspersonal im Klinik-Look führt sie rüde ab; Neuenfels
misstraut Wagners vordergründiger Deutschtümelei.
Stattdessen richtet er den Fokus auf den unter genauer Beobachtung der
Ratten-Massen stehenden Liebesversuch. Absolvieren sollen ihn die des
Brudermords angeklagte Elsa von Brabant (Annette Dasch) und der anonyme
Ritter (Tenorsensation Jonas Kaufmann), beide mit extrem klar
artikulierender Stimme. Hinreißend Kaufmanns Auftrittsdank an den Schwan im
allerfeinsten lyrischen Piano.
Im zweiten Akt bekommt das Unheil Bilder und mit Ortrud (Evelyn Herlitzius)
und Telramund (Hans-Joachim Ketelsen) hinreißende Durchschlagskraft, gegen
die Kaufmann vom Volumen her kaum eine Chance hatte. Im Orchestergraben
produziert Dirigent Andris Nelsons ebenfalls einen sehr transparenten,
kühlen und nur manchmal utopisch verträumten Klang, der mehr einem schlanken
Soundtrack statt der Illustration einer hochdramatischen Handlung gleicht.
Am Schluss gibt es ein donnerndes Buhgewitter und dagegen haltenden Beifall
mit einigen Bravorufen. Der skandalgewohnte Neuenfels zuckt mit den
Schultern und wirft Kusshändchen ins widerstreitende Publikum, darunter auch
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die dem Regisseur demonstrativ Beifall
zollt. Auch die beiden Festspielleiterinnen Katharina Wagner und Eva
Wagner-Pasquier stellen sich auf offener Bühne an die Seite des Regisseurs.
Merkel dankt auf dem anschließenden Empfang Neuenfels und seinem
Bühnenbildner Reinhard von der Thannen für die Inszenierung und fügt hinzu:
"Das war wunderbar, das hat uns gefallen, das haben Sie toll gemacht."
Und auch für Annette Dasch gibt es Grund zur Freude. Sie hat ihren kleinen
Bühnenunfall bei der Generalprobe gut überstanden. Da war ihr von oben eine
"Parsifal"-Requisite auf den Kopf gestürzt und hatte sie kurz ohnmächtig
werden lassen. Regisseur Neuenfels kommentierte den guten Ausgang launig mit
den Worten: "Das blieb ja in der Familie" - Parsifal ist, in der Mythologie
Wagners, der Vater von Lohengrin.
Das große Schaulaufen der Berliner und sonstigen Prominenz und das
Händeschütteln mit den Hügel-Chefinnen, der ausgesprochen locker wirkenden
Katharina Wagner und der immer etwas scheu agierenden Eva Wagner-Pasquier,
fand bei sonnigem Himmel, aber ausgesprochen angenehmen Temperaturen statt.
Sie alle paradierten ein paar Meter am Volk von Bayreuth vorbei, das sich
schon Stunden vorher seine Plätze an den Absperrgittern gesichert hatte.
An der Kasse hatten einige Wagner-Fans hoffnungsfroh sogar in Schlafsäcken
campiert und auf den unwahrscheinlichen Fall gehofft, dass Karten zur
Festspieleröffnung nicht abgeholt würden. Noch kurz vor der dritten Mahnung
der Blechbläser standen etwa 20 Wartende dort, zum Teil mit liebevoll
klappernden Versen auf handgeschriebenen Schildern: "Nun sei bedankt, mein
lieber Schwan, wenn du mir eine Karte bringen kannst ..."
Es ist die erste Saison, die völlig ohne den Schatten Wolfgang Wagners
auskommen muss - der Enkel des Komponisten hatte die Festspiele 57 Jahre
lang geleitet, die Leitung 2008 in die Hände seiner beiden Töchter gelegt
und war im März dieses Jahres gestorben. |
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