BZ Berlin, 26. Juli 2010
Martina Kaden
Wagner: Lohengrin, Bayreuth, 25. Juli 2010
Bayreuth: Wenn die Ratten Schwäne tragen
 
 Frenetischer Beifall für die Bayreuther "Lohengrin"-Premiere von Hans Neuenfels
Also, Bayreuth ist ja ganz anders als Berlin. Nicht nur wegen der Smoking- und Abendkleiddichte beim Opernpremierenabend. Auch wegen dieser besonderen Gestimmtheit, die das Volk veranlasst, sich stundenlang vor ein Festspielhaus zu stellen und Ministerpräsident Seehofer um ein Autogramm anzubetteln (Siehe auch unsere Gesellschafts-Kolumne: Bayreuth-Festival mit Lohengrin eröffnet).

Es ist die Härte der Stühle, die Demokratie des Parketts, in dem Kreti neben dem Herrn Vorstand sitzt und Pleti ein Foto macht.Bayreuth also, zum 99. Mal. Dazu die Eröffnungspremiere, "Lohengrin". Doch wenn Neuenfels draufsteht bei so einer Eröffnungspremiere, ist Neuenfels drin. Und das bedeutet ganz normale sehr Berlinerische Buhs.Dabei hat Hans Neuenfels, der Miterfinder des Regietheaters, sich gar nicht "Idomeneo"-mäßig verstiegen. Er sieht sein Brabant als ein Versuchslabor, die Menschen leben als Ratten im Käfig, gelenkt von einem Willen, der sie in den nächsten Krieg zwingt.

Und so wuseln sie herum, mit langen Schwänzen und Leuchtaugen, possierlich, rattig. Bis dieser Ritter kommt mit seinem Schwan, der auch mal ein Sarg sein kann, und den Ratten einen solchen aufbindet.

Jonas Kaufmann ist wundervoll als Lohengrin. Wie er mit dieser filigranen Süße seinen Schwan besingt und sich bis zum herzzerreißenden Belcanto-Schmerz-Schmelz steigert - das ist ganz, ganz herrlich. Und man darf froh sein, den schönen Tenor bei seinem Hügel-Debüt erlebt zu haben. Ebenso Annette Dasch als Elsa, die es nicht ertragen kann, ihren rettenden Ritter nicht nach seinem Namen zu fragen und - "weh, nun ist all unser Glück dahin!" - sich und Lohengrin ins Unglück zu stürzen. Das singt sie mit schöner Klarheit. Zum Seufzen schön.

Ganz großartig auch Evelyn Herlitzius als böse funkelnde Hexe Ortrud. Was für eine Riesenstimme!Ja, und dann die Helden im Chor. 130 Soldaten, stundenlang im Rattenkostüm, zu allen Schandtaten bereit - und zu den brausendsten Gesängen fähig.

Dank auch an Andris Nelsons, der Orchester und Sänger mit wundervoller Transparenz in schönste Höhen führte. Kann man sich ein schöneres Bayreuth wünschen? Wohl kaum. Und so gingen die Neuenfels-Buhs dann auch im wohlverdienten frenetischen Beifall unter.
 






 
 
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