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EpochTimes, 26. Juli 2010 |
Rosemarie Frühauf |
Wagner: Lohengrin, Bayreuth, 25. Juli 2010
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Leiser Lohengrin in lautem Getümmel
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Bayreuth – Endlich müssen wir nichts mehr ernst nehmen,
scheint die Message des neuen Bayreuther “Lohengrin” in der Inszenierung von
Hans Neuenfels zu sein. Wagner kann ja so unterhaltsam, so leicht sein... |
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Als
am Ende des ersten Aufzugs ein gerupfter Gummischwan mit entfalteten Flügeln
über der Szene herabschwebt, lacht beinahe jeder im Publikum, der
musikalische Jubel des Finales löst sich in belanglose Heiterkeit und einen
gerade mal einminütigen Schlussapplaus auf, der von ein paar Buhrufen und
Pfiffen nicht wirklich gestört, sondern eher abwechslungsreich garniert war.
Eine Last scheint von den Schultern der 2000 Zuschauer genommen, Wagner kann
ja so unterhaltsam, so leicht sein...
Mit Spannung erwartete Stars
Die Opernwelt blickt gespannt nach Bayreuth an diesem sonnigen Julitag und
auf das spektakuläre Bayreuth-Debut der deutschen Jungstars Jonas Kaufmann
und Annette Dasch in den Hauptrollen von Wagners “Lohengrin”. Ein Traumpaar
auf der Bühne und mit Andris Nelsons (31) ein blutjunger Temperamentsbolzen
am Pult des Festspielorchesters – eigentlich ein musikalisches Großereignis.
Doch merkwürdig beliebig und belanglos ist der Nachgeschmack, den die
brillante Sängerriege und das rasante Dirigat des Letten beim Publikum
hinterlassen. Es beschleicht einen das Gefühl, dass man diesen Abend bald
wieder vergessen haben wird, denn Gänsehaut und Wonneschauer wollten sich
nicht so recht einstellen.
Kaufmanns leiser Lohengrin – ein Antiheld
Nachdem Kaufmann bei seinem gefeierten Rollendebut 2009 in München von
der Regie auf den biederen Häuslebauer festgelegt wurde, konzentrierten sich
die Erwartungen der Fans auf die Frage, ob er in Bayreuth endlich
Schwanenritterglanz entfalten dürfte. Die Antwort lautet: Nein. Lässig
hemdsärmelig kommt er im ersten Akt angeschlendert, sein obligater Schwan
wird in einem sargartigen Boot förmlich zu Grabe getragen und ebenso
spielerisch verfremdet tauchen andere essentielle Requisiten auf: Speer und
Schild werden an eine abgenagte deutsche Eiche im Blumentopf gelehnt, denn
der Chor ist eigentlich ein Heer von menschengroßen Labor-Ratten. Der
starke König Heinrich - charismatisch und schlank: Georg Zeppenfeld –
erleidet ständig Schwächeanfälle. Eine typisch Neuenfels´sche Verkehrung
aller Regieanweisungen wird durchexerziert.
Sonderlicher Neuenfels
Neuenfels, als 69-Jähriger schon ein Grand Seigneur der Provokation, war
eigentlich längst überfällig in Bayreuth, wenn man sich die trendorientierte
Linie der Inszenierungen der letzten Jahre vor Augen hält. Man kann ihm
nicht vorwerfen, dass er sich nicht den Kopf über das Stück zerbrochen hat –
nur bleiben seine Gedanken dem Publikum manchmal unverständlich.
Neuenfels betont in Interviews immer wieder, dass ihn der Subtext der Musik
interessiere. Auch erwähnte er, dass er im Lohengrin das Wunder für das
Entscheidende halte. „Das Wunder wäre, wenn diese Beziehung funktionieren
würde.” Gemeint ist die Beziehung zwischen Lohengrin – dem Helden aus einer
höheren Welt - und Elsa, der „Reinen und Tugendreichen”, beide wenigstens
klar als etwas schüchternes Paar und die Lieben und Guten definiert.
Der Dirigent
Potenzial verspricht Dirigent Andris Nelsons, der zwar Talent, aber mit
seinen erst 31 Jahren noch nicht die ureigene Tiefe gefunden hat. Mit seinen
mal episch gedehnten, dann wieder viel zu stürmischen Tempi spiegelte sein
Dirigat ein Hauptproblem dieses Abends. Mal tönte es extrem theatral, dann
wieder trivial und operettenhaft aus dem magischsten aller Orchestergräben,
passend zum Bühnengeschehen, das ebenso abwechslungsreich an Höhe- und
Tiefstpunkten war. Die Leichtigkeit, mit der Nelsons etwa den Hochzeitschor
interpretierte, ließ hohe Romantik zum ohrwurmigen Moment abgleiten. Das
possierliche Spiel der schwarzen, weißen und rosa Ratten tat sein Übriges.
Im Vorspiel jedoch hatte er wunderbar Klangwolken gezaubert, in denen
einzelne Instrumentengruppen sensibel akzentuiert wurden. Und nicht zuletzt
in der Gralerzählung hatte er Jonas Kaufmann, der mit seinen ausgefeilten
Pianos schon jetzt der leiseste Lohengrin aller Zeiten ist, auf spannendsten
Pianissimo-Bögen getragen.
Eine etwas andere Besetzung
Dass mit Jonas Kaufmann und Annette Dasch eigentlich keine Wagnerstimmen am
Werk waren, machte den Abend interessant. Anette Dasch, andernorts gefeiert
für ihre Mozartinterpretationen, war eine besonders liebliche und weiche
Elsa, die in der Brautgemachszene wärmsten Wohlklang verströmte. Weil es
dem stimmlichen Charakter der beiden Hauptdarsteller und ihrer Gesangskultur
so förderlich war, wurde der schicksalhafte Dialog von Lohengrin und Elsa im
dritten Akt zum Höhepunkt des Abends - die Musik fand zu gleichmäßigem Atem
und endlich konnte sich die natürliche Schönheit der Stimmen entfalten. Auch
die Regie konnte der Szene ob ihrer Fokussiertheit nichts anhaben und es
entstand ein dramatischer Bogen, der vor allem durch die Musikalität und
schauspielerische Größe des Paares Kaufmann und Dasch aufgebaut wurde. Die
Unausweichlichkeit, mit der Elsa auf die Frage nach Lohengrins Identität,
und die verzweifelte Liebessehnsucht des Helden wurden zum menschlich
packendsten Augenblick.
Hans-Joachim Ketelsens Telramund, (eingesprungen für den erkrankten Lucio
Gallo) bewegte sich mehr in die Richtung von Deklamation als Gesang und
relativ schneidend in der Höhe. Offensichtlich hatte er diese
Herangehensweise absichtlich gewählt, um dem vom Bösen Geblendeten als
Besserwisser zu geben. Schauspielerisch überzeugte er am meisten im Dialog
mit Ortrud, wurde aber etwas ungerechtfertigt mit dem wenigsten Applaus
bedacht.
Evelyn Herlitzius als Ortrud zeigte mit brennender Intensität, dass ihr
hochdramatischer Sopran seit ihrem letzten Bayreuth Auftritten noch an
Volumen und Kraft gewonnen hat. Mit der Energie eines Flammenwerfers rief
sie die „entweihten Götter" an, ein Moment, indem sie es schaffte, die
Lächerlichkeiten der Inszenierung vergessen zu machen. Die perfekte
Gegenspielerin zu Daschs sanfter Elsa.
Vielsagender Schlussapplaus
Die ersten Vorhänge galten dem Festspielchor und seinem Leiter Eberhard
Friedrich, sowie den Hauptdarstellern, von denen Jonas Kaufmann mit Abstand
am stürmischsten gefeiert wurde. Nur er bekam sofortige Standing Ovations.
Als Neuenfels mit seinem Bühnen- und Kostümbildner Rheinhard von der
Thannen schließlich auf die Bühne schlurfte, sollten Katharina Wagner und
Eva Wagner-Pasquier den alten Herrn liebevoll in ihre Mitte nehmen, als
wollten sie ihn vor den Buhrufern beschützen. Die waren dann doch nicht so
zahlreich wie erwartet: Eine kleine Fangemeinde klatschte ihm lebhaft
Sympathie zu, während sich der Großteil des Publikums mehr in Erheiterung
als Entrüstung enthielt, weil man so einem alten Kauz, der Kusshändchen
wirft und dabei schuldbewusst guckt, ja gar nicht böse sein kann.
Bei Werner Herzogs Lohengrin vor zwanzig Jahren dauerte der Applaus über
einer halbe Stunde. Heute endete das Höflichkeitsritual nach nur siebzehn
Minuten. Man ging mit dem Gefühl, etwas Seltsames gesehen zu haben, das
kurioserweise von Wagners Lohengrin-Musik begleitet war. |
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