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Neue Zürcher Zeitung, 26.10.2010 |
Thomas Schacher |
Liedmatinée, Zürich, 24. Oktober 2010
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Sternstunde
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Jonas Kaufmann am Opernhaus
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Jonas
Kaufmann gehört unbestritten zu den Lieblingen des Zürcher Publikums. Seit
vielen Jahren erntet der gebürtige Münchner am Opernhaus mit seinen
Tenorrollen grosse Erfolge. Am Sonntag hat Kaufmann dort, zusammen mit dem
Pianisten Helmut Deutsch, eine Liedermatinee gegeben. Das Resultat: ein fast
ausverkauftes Haus, am Schluss stehende Ovationen und ein Intendant, der den
Blumenstrauss mit einem Kniefall überreicht. – Worin besteht das Geheimnis
von Kaufmanns Wirkung? An der stattlichen Figur und der Lockenmähne allein
kann es nicht liegen. Was hinzukommt, sind die Qualitäten von persönlicher
Ausstrahlung, totaler Bühnenpräsenz und beeindruckender Identifikationsgabe.
Und im engeren musikalischen Sinn verfügt der Sänger über eine Stimme, der
keine technischen Grenzen gesetzt sind und mit der er eine beliebige Anzahl
von Schattierungen verwirklichen kann.
Gegenstand der Matinee bilden
klavierbegleitete Lieder von Robert Schumann und Gustav Mahler. Bei beiden
Komponisten kombiniert Kaufmann einen Liedzyklus mit Einzelliedern. Dass
einer im Schumann-Jahr 2010 Schumann-Lieder singt, ist ja nichts
Aussergewöhnliches. Auf dem Programm steht jedoch nicht einer der beliebten
Zyklen wie «Liederkreis» oder «Dichterliebe», sondern der wenig bekannte
Andersen-Zyklus, die «Fünf Lieder» op. 40. Die Texte hat Schumann einem
Gedichtband Adalbert von Chamissos entnommen, der seinerseits Gedichte des
Dänen Hans Christian Andersen ins Deutsche übersetzt hatte. Um Liebe geht es
darin, aber ins Glück mischt sich das Unglück. Im Lied «Der Spielmann»
heiratet die Braut den Falschen, die Geige des Spielmanns darob «in tausend
Stücke zerbricht». Kaufmann bringt das Wechselbad der Gefühle faszinierend
zum Klingen, und Helmut Deutsch, der schon mit diversen grossen Sängern und
Sängerinnen zusammengearbeitet hat, steht ihm da in nichts nach.
Von
Gustav Mahler interpretiert das Duo vier frühe Lieder, die bereits den
unverkennbaren Mahler-Ton aufscheinen lassen, und die 1901–1904 entstandenen
«Kindertotenlieder», in denen der Komponist den späteren Tod seiner Tochter
antizipiert hat. Über die Wiedergabe könnte man viel Lobenswertes schreiben,
doch ein Beispiel möge hier genügen. Im letzten Lied des Zyklus, «In diesem
Wetter, in diesem Braus», geschieht am Schluss eine unerwartete Wende: Die
Verzweiflung des lyrischen Subjekts über den Tod der Kinder weicht der
Hoffnung, dass sie, «von Gottes Hand bedecket», «wie in der Mutter Haus»
ruhen mögen. Die Verklärung, mit welcher der Tenor diese Strophe umsetzt,
ergreift zu Tränen.
Foto: Imago |
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