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Tiroler Tageszeitung, 21.10.2010 |
APA |
Liederabend, Konzerthaus Wien, 20. Oktober 2010
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Auf Jonas Kaufmann steht man eben: Liederabend im
Konzerthaus
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Auf Jonas Kaufmann steht man eben. Und natürlich nicht nur, weil der
deutsche Tenor, der in der jüngeren Zeit als einer der ganz großen Stars der
internationalen Opernwelt gehypt wird, mit seinen braunen Locken und dem
ernsten Blick so hübsch anzusehen ist. Vor allem ist der 41-Jährige ein
hervorragender Sänger und ein begnadeter stimmlicher Erzähler. Gestern,
Mittwoch, begeisterte der Publikumsschwarm im prall gefüllten Mozart-Saal
des Wiener Konzerthauses mit Liedern von Robert Schumann und Gustav Mahler.
Im Sommer gab er sein gefeiertes Debüt in Bayreuth, vor wenigen
Wochen erschien die Autobiografie seines jungen Lebens, am vergangenen
Wochenende nahm er den Echo Klassik als „Sänger des Jahres“ entgegen.
Gestern stellte man sich vor dem Konzerthaus - vielfach vergeblich - um
Restkarten an. Oder, im Glücksfall, ließ sich von Schumann, Mahler, von dem
höchst lebhaften Helmut Deutsch am Klavier sowie von der großen
musikalischen Ausdruckskraft Kaufmanns in eine bunte Menge an Geschichten
entführen.
Mit einer Hand lässig aufs Klavier gestützt, setzt
Kaufmann seine Stimme spielerisch, fast choreographisch zwischen den Lagen
ein, oftmals mit der ihm eigenen Gepresstheit, aus der plötzlich das Offene
bricht. Er packt Schumanns Lieder am Schopf, gestaltet selbstbewusst,
überraschend, konzentriert und emotionsgeladen. „Es ist so süß zu scherzen,
mit Liedern und mit Herzen“, heißt es da, und Kaufmann braucht kein
exaltiertes Mienenspiel, um die Worte zu füllen.
Ohne großen Gestus,
aber mit gezieltem Einsatz von Größe besann er sich im zweiten Teil auf den
umwerfenden Schmerz in Mahlers Kindertotenliedern. Stets von vornehmem
Ernst, beben die Texte über das Loslassen und den Verlust in jener
klangfarblichen Zurückgenommenheit, die Kaufmann nicht nur zu einem
eigenwilligen Gesangskünstler, sondern vor allem zu einem hervorragenden
Darsteller macht - ganz abseits von gestischer oder mimischer Dramatik, in
einer feinen, physiologischen Dramaturgie der Stimme.
Ein „Ade! Ade!
Scheiden tut weh!“ aus des Knaben Wunderhorn setzte Kaufmann ans Ende -
durfte aber im lang anhaltenden Jubel auch nach mehreren Zugaben nicht so
rasch von der Bühne scheiden. Das ist ein Publikumsliebling, wie er in Wien
auch deutlich größere Hallen als den Mozart-Saal füllen könnte. Falls das
Konzerthaus seinen längst ausgebuchten „Great Voices“-Zyklus - am 18.11.
singt Rolando Villazon - in Zukunft fortsetzt, so wäre Jonas Kaufmann unter
diesem Attribut sicherlich gut aufgehoben.
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