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Die Welt, 21. Mai 2010 |
Von Helmut Peters |
Operngala, Hamburg, 19. Mai 2010 |
Mancher Gipfel lag zu hoch
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Der deutsche Heldentenor Jonas Kaufmann singt leicht indisponiert |
Jonas Kaufmann singt nicht nur Lohengrin, er sieht auch so aus, wie man sich
den feschen Schwanenritter aus Wagners romantischer Oper gern vorstellen
würde: jung, kräftig, mit lockigem Haar und knapp geschorenem Vollbart als
Attribut seiner maskulinen Erscheinung. Aber kann der derzeit hoch gefeierte
und hoch gehandelte Star des schwereren Tenorfachs auch stimmlich gegen
Kollegen antreten, die den Härtetest dieser Partie viele Jahre vor ihm
bestanden haben und eigene, zuweilen unübertroffene Akzente setzten?
Immerhin soll er diesen Sommer ja den Lohengrin in Bayreuth singen.
Am Mittwoch war Kaufmann mit dem Münchner Rundfunkorchester unter der
Leitung des ebenso jungen wie aufstrebenden Dirigenten Michael Güttler in
der Laeiszhalle zu Gast. Die beiden größten Angstpartien seines Fachs, die
Florestan-Arie aus Beethovens Oper "Fidelio" und die "Gralserzählung" aus
"Lohengrin", bildeten Auftakt und Ende des Kaufmann-Programms.
Güttler und das Münchner Vorzeigeorchester sorgten durch Ouvertüren,
Vorspiele oder Zwischenaktmusiken immer wieder für Verschnaufpausen des vor
allem zu Beginn stimmlich belegten und unter starkem Druck stehenden
Sängers. Prompt ging der erste Ton der Beethoven-Arie "Gott, welch Dunkel
hier! ..." daneben.
Auch im weiteren Verlauf dieses Stücks blieb Kaufmann der Klang förmlich in
der Kehle stecken, die Töne entfalteten sich nicht, und dem beschwörenden
Flehen um Freiheit des zu Unrecht eingekerkerten Florestan fehlte jeder
Glanz. Einfühlsam nahm Güttler auf die Indisponiertheit des Sängers in
diesen ersten Minuten Rücksicht. Schon hier, erst recht aber in der
Tamino-Arie aus Mozarts "Zauberflöte" wurde deutlich, dass Kaufmann zwar
über Kraft in der mittleren und tiefen Lage verfügt, hier aber ein leichtes
Abrutschen in baritonale Stimmfärbungen kaum mehr vermeiden kann. Große
dynamische Kontraste konnte er bei der Wiederholung des viel besungenen
Wörtchens "die Liebe" nicht wagen, weil sein Piano eher rau und trocken
klingt. Richtig in Fahrt kam Kaufmann erst im Rezitativ und der Arie des Max
aus Webers "Freischütz". Die entfesselte Dramatik dieser Szene forderte ihn
zu entschlossener Gestik und kraftvoller Deklamation nur so heraus. Auch der
Ausschnitt "Amfortas! Die Wunde" aus Wagners Bühnenweihfestspiel "Parsifal"
hatte beachtliches Niveau, weil sie ihm längere Strecken zum Aussingen und
Aufbauen gewährte.
Etwas vorsichtig und betulich näherte sich Kaufmann dann der Szene
"Winterstürme wichen dem Wonnemond" aus Wagners "Walküre", die viele
Jahrzehnte vor ihm Peter Hofmann einst in Bayreuth so frisch und
enthusiastisch gesungen und gespielt hatte. Vom viel gerühmten
Schauspieltalent des neuen Tenorstars Jonas Kaufmann war bei diesem
konzertanten Auftritt kaum etwas zu spüren.
Auch die Textdeutlichkeit und -ausgestaltung ließ vor allem in der
"Gralserzählung" zu wünschen übrig. Der Ritter ward da unversehens zum
"Rätter", und die Abstimmung mit den zart konterkarierenden Holzbläsern
passte nicht immer.
Auch wenn mal ein Horn in Beethovens dritter "Leonoren"-Ouvertüre kiekste
oder es an Feinabstimmung der Anschlüsse haperte, begeisterten das Münchner
Rundfunkorchester und sein aus Dresden stammender Dirigent Michael Güttler
durchweg.
Hoch diszipliniert zeigten sich die Münchner in Mozarts
"Zauberflöten"-Ouvertüre, die Güttler ein wenig an Karl Böhms prägendes
Mozart-Klangbild anlehnte. Wo Kaufmann dann mal nicht sang, wie in Schuberts
Zwischenaktmusik zu "Rosamunde", übernahmen die Holzbläser mit herrlichen
Kantilenen die Rolle des Instrumentalgesangs.
Im Unterschied zu Kaufmann aber sind Instrumentalisten ja nicht so stark von
Abnutzungserscheinungen bedroht wie ein junger Heldentenor. Kaufmann
jedenfalls sollte aufpassen, sich nicht mit großen Partien "verheizen" zu
lassen, und Rollen wie den Othello lieber noch liegen lassen. |
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