Jonas Kaufmann, derzeit der weltweit
begehrteste Tenor, gibt den Florestan. Das lockige Haar, das ihn
zum Frauenliebling macht, hat die Maske in glattes Haar
verwandelt. In Bieitos Logik ist dieser Florestan ein Everyman,
aber keine Ausnahmegestalt, kein mutiger Freiheitskämpfer, kein
fanatischer Wahrheitsstreiter. Sein Schicksal steht
paradigmatisch für dasjenige aller Menschen.
Kaufmann bildet seine Töne mit viel Druck, aber
gleichmäßig dunkel. Auch, weil die Höhe hier nicht so wichtig
ist wie die Mittellage. Unüberhörbar arbeitet sich Kaufmann
derzeit in Richtung Heldentenor vor. Doch die Partie verlangt
auch enorme Agilität, der der heldentenorale Ansatz im Weg
steht. Vor allem am Schluss seiner Arie, diesem Liebesdelirium
im Hungerrausch, den Kaufmann, wie die ganze Partie, zu
diesseitig einfarbig, zu wenig visionär anlegt.