Man muss warnen vor diesem „Fidelio“ im Münchener
Nationaltheater, der am Dienstag Premiere hatte: So schlecht wie
diese Produktion ist Beethovens Oper nicht! Aufgetischt wird
eine lahme Opernente. Regisseur Calixto Bieito erschöpft sich in
grotesken Selbstzitaten. Die Männer sind gewalttätig,
unternehmen ab und zu einen (Selbst-)Mordversuch. Die Frauen
agieren auch nicht viel besser, sie kriechen mit verschmiertem
Lippenstift herum und lüpfen bisweilen ihr Hemdchen. In Bieitos
„Konzept“ hat der ob einer Intrige eingekerkerte Florestan bloß
Depressionen und imaginiert sich eine Welt aus Gittern,
Spiegeln, engen Räumen.
In und auf einem riesigen Gerüst
(Bühne: Rebecca Ringst) irrt er endlos herum, bald kommen
weitere Figuren hinzu, auch sie turnen umher, später fliegen
einige sogar durch die Luft. Man nehme noch etwas
Stroboskoplicht, und fertig ist der Abend.Alberne Turnübungen
Auch in der Personenführung passt nichts zusammen, keine Figur
geht einem nahe. Florestan zuckt im Schlafanzug vor sich hin,
bis er am Ende, nachdem der Minister als Batman-Joker aus einer
Loge für Befreiung sorgte, in der Kluft eines
Staatsopernbesuchers an der Rampe steht. Vorher versuchte ihn
der Minister noch zu erschießen, allerdings erfolglos. Und davor
ließ Bieito den 3. Satz aus Beethovens 15. Streichquartett
(„Heiliger Dankgesang eines Genesenen an die Gottheit“) spielen,
die Musiker schweben dabei in kleinen Käfigen vom Bühnenhimmel.
Wo Beethoven die Rettung eines Unschuldigen durch seine als Mann
verkleidete Ehefrau (und ein Bündel von Machtkonflikten)
musikdramatisch präzise und wirksam gestaltet, bietet Bieito
alberne, uninspirierte Turnübungen ohne Netz und doppelten
Boden.
Dirigent Daniele Gatti hechelt grobschlächtig
durch die Partitur, überdeckt immer wieder die Sänger, dazu
kommen erhebliche technische Mängel in fast allen
Instrumentengruppen und eine oft mangelnde Abstimmung mit dem
Chor. Anja Kampe gibt als Fidelio alles, gelegentlich zu viel,
dann wird es klirrend scharf. Insgesamt gelingen ihr etliche
herausragende Momente. Auch Franz-Josef Selig als
Gefängniswärter Rocco orgelt sich sehr ordentlich durch die
Partie, Wolfgang Koch als Bösewicht Don Pizarro steht ihm vokal
in nichts nach. Laura Tatulescu (Marzelline) und Jussi Myllys
(Jaquino) bleiben blass.
Die vielleicht größte
Enttäuschung aber ist Jonas Kaufmann. Er wirkt als Florestan
über weite Strecken überfordert. Die Mittellage klingt
wunderbar, wohlig warm, zum Dahinschmelzen. Aber der Weg dorthin
muss mit gepressten Kantilenen und viel Kehligkeit bezahlt
werden.