Die einzige vollendete Oper Beethovens erzählt von Freiheit und
Gefangenschaft. Der katalanische Regisseur, bekannt für seinen
rigorosen Zugriff auf Bühnenstoffe, interpretiert das Werk nicht
politisch, sondern als psychologisches Drama. Sven Ricklefs hat
die Premiere in München besucht.
Audiobeitrag(kleiner Ausschnitt aus "In des Lebens
Frühlingstagen")
Transkript (Auszug)
Doch bei aller überwältigend strahlenden Wärme, die hier Jonas
Kaufmann dem Florestan in seiner großen Arie mitgibt, der Blick,
den Regisseur Calixto Bieito mit seiner Inszenierung in die
Tiefe dieser Figur wagt ist ein Blick in den Abgrund. Denn nicht
Leonore steht im Mittelpunkt dieser Aufführung, sondern dieser
Florestan. Ein Florestan, der die ganze Zeit über im Schlafanzug
herumirren wird, den er auch noch dann an sich presst, als er
längst gerettet ist und wieder Anzug und Schlips trägt. Ein
Florestan, der sich manisch immer wieder die Haare kämmt und der
nach dem vereitelten Mordanschlag auf ihn selbst zum Dolch
greift um sich zu entleiben und nur an der eigenen Schwäche
scheitert. Auf der Folie seines Unterbewusstseins spielt sich
das ganze Geschehen ab.