München (dapd). Die erste Inszenierung des katalanischen Regisseurs
Calixto Bieito an der Bayerischen Staatsoper ist am Dienstagabend
vom Publikum gefeiert worden. Seine Sicht von Ludwig van Beethovens
Freiheitsoper "Fidelio" war mit Spannung erwartet worden, weil
Bieito für drastische und provozierende Regiekonzepte bekannt ist.
Die wenigen Buhrufe gingen jedoch im Schlussapplaus fast unter.
Deutlichere Unmutsbekundungen musste der italienische Dirigent
Daniele Gatti hinnehmen, der für die musikalische Umsetzung von
Beethovens einziger Oper verantwortlich zeichnete.
Uneingeschränkten Jubel gab es für das Sängerteam, allen voran
Startenor Jonas Kaufmann, der die Rolle des Florestan innig und
klangschön gestaltete, sowie die international gefeierte
dramatische Sopranistin Anja Kampe als Leonore. Überzeugen konnten
auch der Bariton Wolfgang Koch als Don Pizarro und der amerikanische
Bass Steven Humes als Don Fernando.
Das Einheitsbühnenbild
von Rebecca Ringst zeigte ein aus Stahlrohren zusammengefügtes,
vertikal angeordnetes Labyrinth, das den Kerker symbolisieren
sollte, in dem der Freiheitskämpfer Florestan schmachtet. In seinem
Gefängnis soll er von dem tyrannischen Gouverneur Don Pizarro
ermordet werden. Die Tat wird jedoch in letzter Sekunde von
Florestans Gattin Leonore, die sich unter dem Namen Fidelio in
Männerkleidung bei dem Gefängniswärter Rocco eine Anstellung
verschafft hat, unter Einsatz ihres eigenen Lebens verhindert.
Bieito hatte zwischen dieser Szene und dem eigentlichen Finale,
in dem in emphatischer Weise der Sieg von Gerechtigkeit und
Humanität gefeiert wird, eine deutliche Zäsur eingefügt. Er ließ ein
in drei Käfige eingeschlossenes Streichquartett langsam von der
Bühnendecke herab, welches den langsamen Satz aus Beethovens
Streichquartett a-Moll op.132 interpretierte. Der Komponist hatte
diese Musik geschaffen, als er bereits völlig ertaubt war.
Zu
den melancholisch-verklärten Klängen des Streichquartetts, das zu
den anrührendsten Schöpfungen Beethovens zählt, zog sich der bereits
aus der Gewalt Pizarros befreite Florestan wieder in seinen
labyrinthartigen Kerker zurück. Damit konterkarierte der Regisseur
die positive Botschaft eines der Aufklärung verpflichteten Werkes,
dessen plakativer Freiheitsimpetus vielfach missbraucht worden ist -
als völkisch-nationaler Aufbruch von den Nazis ebenso wie von den
Kommunisten als "Epos des politisch-menschlichen Freiheitsethos auf
dem Weg zur Überwindung des bürgerlichen Zeitalters", wie der
Münchner Soziologe Armin Nassehi im Programmheft zur
?Fidelio?-Premiere schreibt.