dapd, 22.12.2010
 
Beethoven: Fidelio, Bayerische Staatsoper, 21. Dezember 2010
Buhs für den Dirigenten
 
 
München (dapd). Die erste Inszenierung des katalanischen Regisseurs Calixto Bieito an der Bayerischen Staatsoper ist am Dienstagabend vom Publikum gefeiert worden. Seine Sicht von Ludwig van Beethovens Freiheitsoper "Fidelio" war mit Spannung erwartet worden, weil Bieito für drastische und provozierende Regiekonzepte bekannt ist. Die wenigen Buhrufe gingen jedoch im Schlussapplaus fast unter. Deutlichere Unmutsbekundungen musste der italienische Dirigent Daniele Gatti hinnehmen, der für die musikalische Umsetzung von Beethovens einziger Oper verantwortlich zeichnete.

Uneingeschränkten Jubel gab es für das Sängerteam, allen voran Startenor Jonas Kaufmann, der die Rolle des Florestan innig und klangschön gestaltete, sowie die international gefeierte dramatische Sopranistin Anja Kampe als Leonore. Überzeugen konnten auch der Bariton Wolfgang Koch als Don Pizarro und der amerikanische Bass Steven Humes als Don Fernando.

Das Einheitsbühnenbild von Rebecca Ringst zeigte ein aus Stahlrohren zusammengefügtes, vertikal angeordnetes Labyrinth, das den Kerker symbolisieren sollte, in dem der Freiheitskämpfer Florestan schmachtet. In seinem Gefängnis soll er von dem tyrannischen Gouverneur Don Pizarro ermordet werden. Die Tat wird jedoch in letzter Sekunde von Florestans Gattin Leonore, die sich unter dem Namen Fidelio in Männerkleidung bei dem Gefängniswärter Rocco eine Anstellung verschafft hat, unter Einsatz ihres eigenen Lebens verhindert.

Bieito hatte zwischen dieser Szene und dem eigentlichen Finale, in dem in emphatischer Weise der Sieg von Gerechtigkeit und Humanität gefeiert wird, eine deutliche Zäsur eingefügt. Er ließ ein in drei Käfige eingeschlossenes Streichquartett langsam von der Bühnendecke herab, welches den langsamen Satz aus Beethovens Streichquartett a-Moll op.132 interpretierte. Der Komponist hatte diese Musik geschaffen, als er bereits völlig ertaubt war.

Zu den melancholisch-verklärten Klängen des Streichquartetts, das zu den anrührendsten Schöpfungen Beethovens zählt, zog sich der bereits aus der Gewalt Pizarros befreite Florestan wieder in seinen labyrinthartigen Kerker zurück. Damit konterkarierte der Regisseur die positive Botschaft eines der Aufklärung verpflichteten Werkes, dessen plakativer Freiheitsimpetus vielfach missbraucht worden ist - als völkisch-nationaler Aufbruch von den Nazis ebenso wie von den Kommunisten als "Epos des politisch-menschlichen Freiheitsethos auf dem Weg zur Überwindung des bürgerlichen Zeitalters", wie der Münchner Soziologe Armin Nassehi im Programmheft zur ?Fidelio?-Premiere schreibt.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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