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Der Neue Merker |
Peter Dusek |
Bizét: Carmen, München, 3. Juni 2010
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CARMEN als Saison-Höhepunkt mit Elina Garanca und Jonas
Kaufmann
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München bekam das, was Wien erhofft hatte: Carmen als Sternstunde und
Höhepunkt einer ereignisreichen Saison - mit Elina Garanca in der Titelrolle
und Jonas Kaufmann als Don José! Die beiden „rising“ Super-Stars zum
ersten Mal gemeinsam auf der Bühne. Und wohl nicht zum letzten Mal…die
beiden attraktiven Sänger bringen neben ihren bekannten vokalen Fähigkeiten
auch so viel schauspielerische Potenz mit, dass man zuletzt fürchten konnte,
auf der Bühne könnte es tatsächlich zu Handgreiflichkeiten kommen.
Doch halten wir uns an den Verlauf der Vorstellung. Zunächst versperren
Dutzende Opernfans mit dem Täfelchen „Suche Karte“ den Zugang zur
Bayerischen Staatsoper. Dann peitscht Karel Mark Chichon – der
hochtalentierte Dirigenten-Ehemann der lettischen Mezzo-Sopranistin – die
Ouvertüre des Werkes durch die Zirkus-Musik. Um dann die große Tragödie bei
offenen Vorhang zu beginnen - die umstrittene Carmen-Inszenierung der
Filmemacherin Lina Wertmüller (Bühnenbild Enrico Job) ist zwar von Oldtimern
und Nornen-Szenen „beifreit“ worden und gibt so nur mehr einen
stimmungsvollen Rahmen, der mehr mediterrane Atmosphäre vermittelt als die
Wiener Zeffirelli-Inszenierung. Aber bei so intensiven Singschauspielern
wie Garanca-Kaufmann ist das alles nebensächlich.
Immerhin sind auch alle anderen Rollen exzellent besetzt. Der US-Bariton
John Chest ist ein auffallend schön singender „braver“ Morales, Christian
Van Horne (ebenfalls ein US-Bassbariton) wertet denn Zuniga auf: dieser
Carmen-Fan hätte durchaus Chancen, wenn das Ganze nicht letal ausginge…Dann
kommt Genia Kühmeier und verkörpert für mich die derzeit beste Michaela. So
hervorragend Anna Netrebko in dieser Rolle auch war – die Gegenspielerin von
Carmen sollte so silbrig und hell klingen wie bei der Salzburger Sängerin,
die ihre beseeltes Singen um noch weitere lyrische Details bereichert hat.
Das Duett mit Don José Jonas Kaufmann, der zu diesem Zeitpunkt noch ganz
als „Muttersöhnchen“ agiert, ist ein erster Aufführungs-Höhepunkt.
Dann kommt ein etwas behäbiger Chor und dann ist sie da: die neue
Super-Carmen Elina Garanca; sie ist „cool“ und schlaksig und strahlt eine
gewisse Naivität aus. Bei Jonas Kaufmann hat das enorme Wirkungen – er ist
diesem „Liebesvogel“ von Anfang an verfallen. Und ihrem Singen und Tanzen
erst recht. Jedenfalls steigert Chichon schon die Seguidilla in die Nähe des
Wahnsinns, in den José am Ende verfällt.
Im zweiten Akt kommen mit Lana Kos und Anaik Morel zwei hübsche, eher
lyrische Vertreterinnen von Frasquita und Mercedes zum Einsatz und Christian
Rieger und Kevin Conners spielen gleichwertig zwei Schmuggler namens
Dancairo und Remendado.
Als Escamillo überzeugt viel mehr als zuletzt in Wien Ildebrando
D’Arcangelo. Mag sein, dass es die gefürchtete Wiener Stimmung ist, oder der
Dirigent Karel Mark Chichon, der besser auf die Sänger eingeht. Jedenfalls
überzeugt der fesche Italiener als Torero wohl nicht nur Carmen.
Im dritten Akt beweist dann die lettische Carmen, dass sie auch in der
tiefen Lage immer besser bestehen kann. Das „Todes-Terzett“ hat man noch
selten so eindringlich erlebt, diese Carmen weiß offenbar, wie ihr Konflikt
mit Don José ausgehen wird. Das Schlussduett steigert sich denn
konsequenterweise zu einem Todeskampf unter Reptilien – Jonas Kaufmann,
spielt alle seine Vorzüge aus, er fleht und winselt, er tobt und schreit, er
steigert sich zum großen Tragöden, der seinem Schicksal gar nicht zu
entgehen versucht. Und Elina Garanca ist ihm eine gleichwertige
Partnerin – ihr Stolz und ihr Freiheitsdrang sind grösser als die Angst vor
dem Ende. Und rein stimmlich habe ich das Carmen-Finale noch nie so
gehört: eine der schönsten Mezzo-Stimmen geht an die Grenzen ihres Faches,
kling wie Amneris oder Eboli und bringt zusammen mit ihrem kongenialen Don
José und einem mitfühlenden Dirigenten das Publikum in echte Raserei: am
Schluss wird 20 Minuten geklatscht, Bravo-Gerufen und Getrampelt. Und die
meisten sind sich im klaren, eine echten Sternstunde der Oper und wohl auch
den Höhepunkt der Saison erlebt zu haben. |
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