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Der Neue Merker, 31. Mai 2010 |
Dr. Georg Freund |
Bizét: Carmen, München, 30. Mai 2010
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Bayerische Staatsoper München 30.Mai 2010 : CARMEN
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Groß war das Bedauern, als Elina Garanca ihre Mitwirkung an der Wiener
Carmen abgesagt hat. Nun habe ich die Sängerin in dieser Rolle in München
erlebt und ich muss sagen, mich hat sie nicht überzeugt. Die Garanca verfügt
über einen hell timbrierten Mezzo ohne sinnliches Timbre mit nicht allzu
großem Volumen, nicht gerade die günstigsten Voraussetzungen für eine
Verkörperung von Bizets Zigeunerin. Dazu fehlt es ihr an satter Tiefe, ein
Manko, das besondes im Kartenterzett deutlich wurde. Habanera und
Seguidilla, chansonartig vorgetragen, klangen auch sehr geschmackvoll, aber
an den dramatischeren Stellen des Werkes wirkte die Garanca zu kühl und zu
leichtgewichtig und das , obwohl sie , gewiss aus akustischen Gründen,
nahezu ausschließlich direkt an der Rampe sang und obwohl sie von ihrem
dirigierenden Gatten Karel Mark Chichon, einem braven Taktschläger, in jeder
Weise unterstützt wurde. Auch ihrem Spiel konnte ich wenig abgewinnen. Sie
versuchte ihre kühle, distanziert wirkende Persönlichkeit zu verleugnen und
gebärdete sich sehr lasziv. Laszivität ist aber ihrem Naturell wohl
diametral entgegengesetzt : Das ständige Spreizen der Schenkel und Heben der
Röcke wirkte daher unecht und aufgesetzt. Nur ein Beispiel : Die fatale
Akazieneblüte, die sie José zuwerfen muss, in dieser Inszenierung eine große
rote Papierblume, versenkte sie zuerst in ihrem Ausschnitt, dann steckte sie
die Blume gar unter ihren Rock… Tja, aus dem Sprechtheater ist man ja noch
an ganz anderes gewöhnt, aber ich finde, Realismus in der hoch stilisierten
Kunstform der Oper sollte doch gewisse künstlerische Grenzen wahren. Besser
und natürlicher hätte es gewirkt, wenn sie die Carmen einfach als arrogant
und hochnäsig, ohne billige Verführungsmanöver, angelegt hätte. Diese
unauslotbare Rolle erlaubt ja die verschiedensten Deutungen und selten
gelingt es einer Sängerin, auch den dämonischen Aspekt der Figur zu
vermitteln.
Keinen Wunsch ließ dagegen Jonas Kaufmann als Don José offen: Kostbares
und unverkennbares fast baritonales Timbre, triumphale, an Corelli
gemahnende Höhen, zarteste Piani im Duett mit Micaela, die vollkommene
Beherrschung der Technik des messa di voce, wodurch vor allem die Blumenarie
zum bejubelten der Aufführung wurde, glaubhaftes Spiel und Aussehen- da
stimmte einfach alles. Man könnte fast sagen, dieser Mann ist ein lebendiges
Gesamtkunstwerk. Sein Französisch ist, wie mir auch französische Freunde
bestätigten, makellos, was leider nicht von allen Mitwirkenden behauptet
werden kann. Da hätte sich das meiste nicht vor Pariser Ohren hören
lassen können, zumal wieder einmal die opéra comique –Fassung (mit sehr
starken Kürzungen) gegeben wurde. Am schlimmsten klang das unverständliche
Kauderwelsch, das Christian Van Horn, baumlange Sänger des Zuniga, in
höchster Phonstärke von sich gab. Auch Ildebrando D`Archangelo, der wieder
einmal in der ihn überfordernden Partie des Escamillo eingesetzt war, sollte
an seiner Aussprache fleißig arbeiten. Mit glockenreiner Stimme sang Genia
Kühmeier ihre aus in Wien wohlbekannte Micaela. Eine schöne und
geschmackvolle Leistung. Von Freni und Netrebko wissen wir allerdings, dass
man aus dieser Rolle noch mehr herausholen kann. In ihrer Erscheinung wurde
die Künstlerin durch ein blaues , sehr schlecht sitzendes Promenadenkostüm
beeinträchtigt- eine Schneidersünde, wohl aus der Mottenkiste eines uralten
Fundus. Darauf von mir angesprochen, meinte Frau Kühmeier humorvoll:
„Micaela soll ja bescheiden aussehen“.
Lana Kos und Anaik Morel als Frasquita und Mercédès sangen tadellos, auch
Christian Rieger als Dancairo gefiel mir. Die Inszenierung, eine Arbeit der
Filmregisseuse Lina Wertmüller, ist uralt, und einfallslos, die Kostüme sind
äußerst unkleidsam. Drollig etwa die gleichen Schiebermützen für die
Protagonistinnen im dritten Akt. Ovationen für Jonas Kaufmann und viel
Applaus am Schluss auch für Elina Garanca, die sich im Schlussduett,
offenbar mitgerissen von Kaufmanns leidenschaftlicher Darbietung, sehr
steigern konnte. Nach ihrer Arie im dritten Akt hatte sich keine Hand
zum Applaus geregt. Wäre die Garanca in Wien als Carmen aufgetreten, dann
hätte ihr wohl Micaela in Gestalt von Anna Netrebko den Rang abgelaufen. |
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