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Die Südostschweiz, 01.04.2009 |
Reinmar Wagner |
Puccini: Tosca, Zürich, 29. März 2009
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Mit der Operntradition gespielt - ohne Puccini dafür zu
opfern
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Ein herausragendes Solistentrio sorgte in der
Neuinszenierung von Puccinis Oper «Tosca» am Sonntag für Sängerglanz. Aber
auch der Dirigent Paolo Carignani und der Regisseur Robert Carsen
überzeugten mit ihren Ideen. |
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Giacomo Puccinis «Tosca» ist gewiss spannend genug. Aber die
Zick-Zack-Geschichte, wie das Zürcher Opernhaus für diese Premiere am
Sonntag einen Dirigenten fand, sorgte zusätzlich für Dramatik. Vorgesehen
war Michael Tilson Thomas. Schon früh sagte er ab, Gelegenheit für das Haus,
mit Christoph von Dohnányi einen sehr viel versprechenden Namen zu
präsentieren. Aber wenige Tage vor der Premiere warf der bald 80-jährige
Dirigent aus nicht ganz durchsichtigen Gründen ebenfalls das Handtuch.
Retter in der Not war Paolo Carignani, Opernchef in Frankfurt, und auch in
Zürich wiederholt schon im italienischen Repertoire tätig.
Sensibilität und souveräne Technik
Für die letzten zwei Proben konnte Carignani das Zepter in die Hand nehmen,
und schaffte es, dank seiner klanglichen Sensibilität, Erfahrung und
souveränen Technik - und dank des Engagements und der Professionalität des
Orchesters - die Premiere so sicher über die Runden zu bringen, als wäre er
von Anfang an dafür verantwortlich gewesen. Sein Puccini hatte Zug, ohne je
gehetzt zu wirken, hatte die nötige kernige Substanz in den gross angelegten
Kantilenen, war aber oft erstaunlich leise und kammermusikalisch
detailreich.
Ein wesentlicher Anstoss dazu kam von den Sängern: Sehr schön, wie die drei
Protagonisten immer wieder Kraft und Intensität in den leisen Tönen suchten
- und das nicht etwa, weil ihre Stimmen dem vollen Puccini-Sound nicht
gewachsen wären. Vor allem Jonas Kaufmann, der den Cavaradossi schlicht
sensationell sang, überzeugte mit seinen ausgesucht schönen Piano-Linien:
Eine Demonstration gepflegter Rollengestaltung war das, auf der Basis einer
beneidenswert agilen, und wenn nötig auch wunderschön strahlkräftigen
Tenorstimme. Seinen ersten Scarpia sang der Bariton Thomas Hampson, und
auch er brachte unter vollkommener Beherrschung seiner stimmlichen Mittel
sehr viel sensible Feinarbeit in die Rolle hinein. Dritte im Bunde war Emily
Magee. Sie sang die Tosca ebenfalls zum ersten Mal, und auch sie verdiente
sich höchste Noten: eine Stimme von Format, ein Timbre mit viel Körper und
Metall, eine wahre Diva.
Den grossen Gefühlen misstraut
Für Letzteres war hauptsächlich der kanadische Regisseur Robert Carsen
verantwortlich. Er misstraut offensichtlich den grossen Gefühlen, den
Kantilenen Puccinis, dem Realismus des Verismo. Die ganze Oper ist bei ihm
eine Bühne, das Leben ein Theater. Und die Diva heisst Tosca, ihr liegt Rom
zu Füssen. Sie ist keinen Moment unbeobachtet, spielt immer Theater. Carsen
hat damit elegant ein Problem der Personenführung umschifft: So darf die
Diva natürlich ungeniert die exaltiertesten Operngesten vollführen.
Schliesslich spielt sie ja nur Theater. Und verteilt immer mal auch wieder
ein Autogramm, bevor sie sich wieder vor Schmerz an die Brust fassen muss.
Allerdings hat sie einen starken Widerpart: Scarpia. Er beherrscht und
geniesst das Spiel mit den Rollen, sein Sadismus findet darin grosse
Befriedigung. Es ist wunderschön zu beobachten, wie Carsen eher subtil
zuerst, dann immer offenkundiger und bis in den Schlussapplaus hinein mit
der Geschichte, mit dem Material und mit der Operntradition spielt, ohne
dass er dafür Puccini opfern muss. Selbst wenn Tosca aus ihrer blauen Robe
steigt, legt sie die Diven-Rolle keineswegs ab. Dass sie Scarpia ersticht,
geschieht hier nicht aus Verzweiflung, sondern aus Berechnung. Hübsch auch,
wie sie danach die Leiche mit ihrer Fotokarte dekoriert, die sie sonst mit
ihren Autogrammen ziert. Bis zum Schluss bleibt Carsen konsequent: Dort, wo
Tosca zuvor vom Rand in den Tod gesprungen ist, leuchten jetzt Scheinwerfer,
sie verbeugt sich gegen ein imaginiertes Publikum, und erst dann gegen das
reale. |
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