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Zürichsee-Zeitung, 31.03.2009 |
Werner Pfister |
Puccini: Tosca, Zürich, 29. März 2009
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Wenn das Leben zur Bühne wird
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Opernhaus: Robert Carsen
inszeniert Giacomo Puccinis Melodrama «Tosca». |
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Statt die Effekte des Eifersuchtsdramas «Tosca» plakativ nach aussen zu
kehren, werden sie in der neuen Zürcher Inszenierung ins Innere der
Protagonisten projiziert - mit zwiespältigem Gelingen.
«Tosca» ist zweifellos Puccinis kompakteste Oper, ein psychologisches
Kammerspiel mit sexuellen Konnotationen und mehrfach blutigem Ausgang. Die
Handlung vollzieht sich in weniger als 24 Stunden und auf drei Römer
Schauplätzen, die nur wenige hundert Meter voneinander entfernt liegen. Die
Einheit sowohl der Zeit wie auch des Orts sind somit vorbildlich
eingehalten, und eine zusätzliche Einheitlichkeit gewinnt das Stück zudem
durch seine Fokussierung auf die Titelheldin Tosca.
Was mag es bedeuten, wenn die Protagonistin einer Oper von Beruf selber
Sängerin ist? Rein ästhetisch gesehen wird dadurch das, was eigentlich nur
der künstlerischen Darstellung dienen soll, nämlich das Singen und Spielen
auf der Bühne, selber zum Inhalt dieses Spiels - potenzierte Kunst
sozusagen. Tosca habe sich, so argumentiert Robert Carsen, ganz ihrer Kunst
verschrieben, und das mit der fatalen Folge, dass sie die Kunst nicht mehr
vom Leben zu unterscheiden vermöge und die Bühne nicht mehr vom Boden der
Realität.
Normales Theater
Genau das soll in der Inszenierung gezeigt werden - wie sich bei Tosca reale
Persönlichkeit und fiktives Rollenspiel zu einer Künstlerexistenz im
Rampenlicht der Bühne und des ästhetischen Scheins vermischen, abgehoben vom
Boden der Realität. Diese Bühne ist in der Zürcher Neuinszenierung denn auch
omnipräsent - vor allem in den Bühnenbildern von Anthony Ward. So spielt der
erste Akt nicht in der Kirche Sant'Andrea della Valle, der zweite nicht im
Palazzo Farnese und der dritte nicht auf der Engelsburg, sondern alle drei
auf jenen Brettern, die bekanntlich die Welt bedeuten. Ein unkonventioneller
Deutungsansatz.
Doch was auf diesen Brettern dann inszeniert und gespielt wird, ist
vergleichsweise konventionelles «Tosca»-Theater. Im ersten Akt ein
exaltiertes Eifersuchtsdrama, das in unserer heutigen «freilebigen» Zeit
eher theatralisch wirkt, im zweiten Akt ein von sexuellen respektive
sadistischen Triebkräften gesteuertes Drama, das in seinen besten Momenten
tatsächlich unter die Haut geht. Denn spätestens hier wirkt auch das
Bühnenbild mit seiner im Hintergrund durch einen eisernen Vorhang
abgetrennte Bühne nicht mehr doppeldeutig symbolisch, sodass aus dem
intendierten Theater im Theater sozusagen «normales» Theater wird: eine
«Tosca» wie schon oft gehabt, hier aber - dank Robert Carsens minutiöser
Personenführung - zu einem spannenden Kammerspiel aufgezäumt.
Protagonisten der Superklasse
Dazu stehen ihm drei Protagonisten von Ausnahmerang zur Verfügung. Emily
Magee gibt als Tosca ihr Rollendebüt, eine Diva von Format, die über
urgesunde vokale Ressourcen verfügt und diese auch wirkungssicher
einzusetzen versteht. Man mag in ihrem vollmundigen Gesang da und dort die
emotionale Verletzlichkeit einer vom Leben geschundenen Künstlerin vermissen
- die Entschiedenheit indes, mit der sie sich immer wieder zur Wehr setzt,
beeindruckt in jeder Phrase, in jeder Geste. Darstellerisch und
sängerisch gleichermassen überlegen gestaltet Jonas Kaufmann den
Cavaradossi: weit mehr als nur ein tenorales Heissblut, obwohl ihm gerade
die wirklich «heissen» Töne - darunter die gefürchteten «Vittoria»-Rufe -
mit geradezu glühender metallischer Intensität gelingen. Darüber hinaus
beeindrucken das natürliche Legato seiner Gesangslinien sowie das Piano
selbst in gefährdeten Höhenlagen («Oh dolci baci» im vorgeschriebenen
Pianissimo).
Thomas Hampson präsentiert sich zum ersten Mal in der Rolle des Scarpia - in
seinem ersten Auftritt wie Dracula im Frack, sadistisches Verlangen nicht
nur in seinen Gesichtszügen, sondern auch in der Stimme. Hier schöpft er aus
dem Vollen, dreht bereits im Monolog vor dem Te Deum zu gefährlicher vokaler
Grimasse auf und zeigt im zweiten Akt alle Facetten eines unverhohlen
lüsternen wie auch skrupellos berechnenden Begehrens. Famos. Valeriy Murga
als Angelotti, Giuseppe Scorsin als Mesner und Peter Stratka als Spoletta
fügen sich nahtlos ins dramaturgische Konzept ein.
Ein Glücksfall
Nachdem der Dirigent Michael Tilson Thomas schon im Vorfeld des
Probenbeginns seine geplante Mitwirkung absagen musste und Christoph von
Dohnányi, der die musikalische Leitung übernommen hatte, mitten in den
Proben ausstieg, sprang Paolo Carignani ein. Ein Glücksfall. Er gibt der
Musik mit entwaffnender Natürlichkeit ihr Sentiment, aber gleichzeitig auch
Raffinement, Gefühl wird nie zur Gefühlsduselei. Zwar lässt er die Musik auf
vollen Touren laufen, dirigiert aber keinen dramatisch überhitzten Puccini,
sondern lässt den Sängern und damit den musikalischen Abläufen ihre Zeit.
Dank durchaus kraftvoller, aber nie blendend greller Klangfarben kommen auch
die poetischen Valeurs von Puccinis Musik nachhaltig zur Geltung. Ende gut,
alles gut - lang anhaltende Ovationen für alle Mitwirkenden. |
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