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Der Landbote, 31.03.2009 |
Herbert Büttiker |
Puccini: Tosca, Zürich, 29. März 2009
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Die Bühne als Originalschauplatz
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Emily Magee, Jonas Kaufmann,
Thomas Hampson: die «Tosca» im Opernhaus ist Gala, und die Inszenierung wird
zum Starpodium: Die Oper feiert und hinterfragt sich selbst. |
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Die Chiesa di Sant’ Andrea della Valle, der Palazzo Farnesse, die Engelsburg
sind die Originalschauplätze von Giacomo Puccinis «Tosca». Der eigentliche
Originalschauplatz für diese Oper, sagt sich Regisseur Robert Carsen, ist
das Opernhaus. So zeigt die Bühne hier eine Bühne (Anthony Ward). Im dritten
Akt ist der rote Scala-Vorhang im Hintergrund hochgezogen, und dort springt
Tosca über den Bühnenrand ins Leere – oder eben in den dort zu ahnenden
Orchestergraben. Es folgt zum Applaus ein kleiner Scherz: Tosca verneigt
sich gegen den imaginären Saal und mit dem Rücken zum wirklichen Publikum
... und hier ist der Applaus gross. Floria Tosca, im Stück die Diva, die
beim politischen Staatsakt ihren grossen Auftritt hat, Tosca, dank Maria
Callas und anderen ein Synonym für den modernen Diva-Kult, diese Tosca lässt
im Opernhaus nun auch Emily Magee als Diva erscheinen.
Der theatralische Auftritt, das grosse Kostüm, die grosse Geste gehören zu
dieser Figur und zu ihrer Tragik, die in der bittersten Form der Ironie bei
der Erschiessung Marios gipfelt. Tosca glaubt an eine Exekution zum Schein,
bei der sie Regie führt, und verkennt die blutige Wirklichkeit. An der
Vergegenwärtigung dieser Wirklichkeit arbeiten Text und Musik in einer
geradezu obsessiven Weise. Was aber, wenn diese Wirklichkeit auch wieder nur
die Opernbühne bedeutet?
Vom Sog des Geschehens lebt auch die neue Inszenierung im Opernhaus, aber
immer bleibt mit dem theatralischen Ambiente auch eine Irritation: Tisch,
Kerzenleuchter, Diener in Livree wirken hier wie blosse Requisiten, das
Psychoduell zwischen Tosca und Scarpia könnte auch nur eine Probe zu einer
«Tosca»-Aufführung sein, im «Vissi d’arte» verfliegt überhaupt alle Spannung
zwischen dem bedrückenden szenischen Moment und dem Fluchtpunkt Kunst: Im
Zentrum der Oper ist Emily Magee nicht mehr die Figur, sondern die Sängerin
am Galaabend in der Oper.
Dieses Changieren der Figuren in der Inszenierung der Oper als Oper hat
Konsequenzen in den darstellerischen und sängerischen Akzenten der drei an
der Premiere gefeierten Protagonisten. Im Diva-Format bringt Emily Magee
viel sängerische Souveränität und Glanz zur Geltung, die Schwäche gegenüber
Scarpia bleibt dabei fast fraglich und von Süsse und Charme ihrer
Bohème-Beziehung zu Mario ist zu wenig zu spüren. Viel Sinnlichkeit ist da
im ersten Akt verschenkt, wobei auch breite Tempi die Spontaneität des
Liebes- und Eifersuchtsgeplänkels bremsen und alles in allem lässt diese
Tosca, gerade im ersten Akt, kühl.
Auf der Kontrastebene der Antipathie gilt das auch für den Gegenspieler
Scarpia. Thomas Hampson bietet mit grosser Stimme alles auf, was den
despotischen Polizeichef an herrischem Auftrumpfen, aber auch jovialem
Schöntun auszeichnet. Zum ganzen Ungeheuer fehlt ihm nur momentweise letzte
Schärfe der Deklamation und Klangdämonie, aber als Figur brauchte er eine
Inszenierung, welche die Machtverhältnisse und -instrumente in «originaler»
politischer Brisanz vermittelt. Scarpias blasphemischer Auftritt in der
Kirche (und in Verbindung mit dem Klerus) ist hier ein sehr mittelmässiger
Theatercoup.
Ein wahrer Cavaradossi
Untheatralisch, lebensnah, wie wenn es für diese Figur die
Anführungszeichen der Inszenierung nicht gäbe, steht Jonas Kaufmann als
Cavaradossi im Figurendreieck. Kraft und Schönheit eines stets sensiblen,
aber expansiven Tenors gehen da zusammen mit einer konzentrierten
Darstellung ohne Allüren. Als Figur, die sich nicht inszeniert und zu
inszenieren braucht, erhält er von der Regie ein Gütesiegel der Echtheit,
das alles Dopppelbödige um ihn herum vergessen lässt. Abgerechnet
gelegentliche Piano-Manie ist er von den blühenden Kantilenen der «Recondita
armonia» zu den enthusiastischen Ausbrüchen des «Vittoria» und zum
hochexpressiven «E lucevan le stelle», wo und in welcher Inszenierung auch
immer, der Cavaradossi dieser Tage.
Was Paolo Carignani dem Inszenierungskonstrukt entgegensetzt, ist nicht die
Leidenschaft pur, sondern ein Insistieren, sorgfältiges Hineinhören in die
Partitur. Insofern haben die bedächtigen Tempi auch ihre schöne Seite: Viele
Klangfinessen, viel Schmelz und insgesamt ein grosszügig ausformuliertes
Musizieren bestimmen die Aufführung, die auch in den Nebenpartien im Chor
tadellos besetzt ist. Unter dem Strich fehlt ihr das Aufwühlende einer Sache
um Tod und Leben. Die Oper lädt da lieber zum listig inszenierten
Gala-Abend. |
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