Eßlinger Zeitung, 28.1.2009
Von Dietholf Zerweck
Strauss: Rosenkavalier, Baden-Baden, 25. Januar 2009
Lieben und loslassen
Christian Thielemann dirigiert den „Rosenkavalier“ von Richard Strauss im Baden-Badener Festspielhaus
Baden-Baden - Mit einem Staraufgebot im „Rosenkavalier“ von Richard Strauss begannen die Winterfestspiele in Baden-Baden. Renée Fleming als Marschallin, Sophie Koch als Octavian, Diana Damrau als Sophie und Franz Hawlata als Ochs von Lerchenau gaben der Aufführung illustren Glanz. Selbst der kurze Auftritt des Sängers mit Jonas Kaufmann ist eine Luxusbesetzung. Christian Thielemann leitet zum ersten Mal mit den Münchner Philharmonikern eine Opernproduktion im Festspielhaus. Nächstes Jahr folgt eine Neuinszenierung von Strauss‘ „Elektra“.

Stramm und fast atemlos dirigierte Thielemann den Aufgalopp der Ouvertüre, bevor sich glitzernd und funkelnd das Thema der silbernen Rose entfaltet. Mit wunderbar klarer, präziser Artikulation der vielschichtigen Orchesterstimmen gestaltete Thielemanns Orchester den ersten Akt. Eine Fülle musikalischer Details kam zum Leuchten, doch zum Opernorchester fehlt den Münchnern vielleicht eine Spur musiktheatralischer Spannung.

Die vermittelte Renée Fleming in überwältigender Ausdrucksintensität. Wie tiefsinnig und zugleich psychologisch hellsichtig singt ihre Marschallin den berühmten Monolog von der Vergänglichkeit der Zeit und allen Glücks. „Heut oder morgen oder den übernächsten Tag“, so prophezeit sie ihrem jungen Geliebten Octavian, wird er sie verlassen wegen einer Jüngeren. Wie schwer der Marschallin dann das Loslassen fällt und wie viel Kraft sie das kostet, zeigt Fleming mit einem leichten Schimmer von Vereisung ihres unglaublich wandlungsfähigen Soprans im Schlussakt. Nachdem sie Octavian für Sophie freigegeben hat, werden sie und Faninal (Franz Grundheber) in zwei alten Kutschen von unsichtbaren Kräften von der Bühne gefahren.

Herbert Wernickes Salzburger Inszenierung aus dem Jahr 1995, die nun in Baden-Baden wiederbelebt worden ist, hat mit ihrem raffinierten Spiel der Spiegelwände zwar einen etwas musealen Charme. Doch gelang es dem 2002 verstorbenen Regisseur, das Thema von Schein und Wirklichkeit so auch visuell zur Darstellung zu bringen. Ständig entstehen neue, illusionäre Durchblicke, am Anfang und Schluss werden Thielemann und das Publikum im Saal durch Spiegelung auf die Bühne geholt, auch die Wände des Schlafgemachs der Marschallin, von Faninals Stadtpalais und des Wiener Vorstadt-Gasthauses, wo sich der Baron Ochs mit dem als Mariandl verkleideten Octavian zum Rendezvous trifft, sind bewegliche Spiegel. Wenn Octavian im zweiten Akt als Brautwerber für Ochs die silberne Rose an Sophie überbringt, geschieht das auf einer aus dem Hintergrund hergefahrenen Showtreppe. Schritt für Schritt steigen die beiden aus der Ekstase ihres Liebesduetts herab in die profane Realität des Heiratshandels zwischen Ochs und Faninal: Hier erblüht Diane Damraus Sopran zu wunderbarer Leuchtkraft, während Sophie Kochs Organ leicht metallische Schärfen offenbart. „Ist ein Traum, kann nicht wirklich sein, dass wir zwei beieinander sein“ singen beide am Schluss in seelenvoller, für den Augenblick ungefährdeter Harmonie. Und der kleine Mohr aus Hofmannsthals hintergründigem Stück, in Wernickes Inszenierung ein lustig trauriger Pierrot, nimmt ihnen das silberne Requisit aus der Hand und vertauscht es mit einer echten roten Rose. Hier erreicht Thielemanns Interpretation wieder jene prismatische Farbigkeit aus dem ersten Akt. Im Mittelakt dagegen lässt es der Dirigent tüchtig krachen, karikiert den Ochs und seine Jäger als ungehobelte Grobiane, während Franz Hawlata der Figur des lebenslüsternen Barons eine sängerisch differenzierte Darstellung gibt.






 
 
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