Online Musik Magazin
Joachim Lange
Winterfestspiele 2009
Ist kein Traum, kann doch wirklich sein
Dieser "Rosenkavalier" in Baden-Baden ist ein Coup! Vor allem in seiner musikalischen Prachtentfaltung und seinem szenischen Charisma. Was dem ehrgeizigen Intendanten des Festspielhaus in Baden-Baden Andreas Mölich-Zebhauser mit dieser nicht mal neuen, sondern "nur" leicht angepassten und reaktivierten Rosenkavalier-Produktion gelungen ist, kann im Moment weder in der Strauss Hochburg Dresden, noch in München, Berlin oder sonst irgendwo erreicht oder gar überboten werden. Und das in keiner Hinsicht. Es geht um Herbert Wernickes "Rosenkavalier", den er 1995 auf die gefürchtete Breitband-Bühne des großen Festspielhauses in Salzburg und dann auch auf die Riesenbühne der Opera Bastille in Paris gezaubert hat.

Mit seinen Räumen, die vom fürstlichen Schlafgemach über das Palais der Faninals bis hin zu Beisl und Praterallee von beweglichen Spiegelelementen imaginiert werden. Manchmal werden sie auch zum Spiegelbild für die Zuschauer selbst. Oder sie fahren auseinander, um für die Überreichung der Silberrose die sprichwörtliche, große Revuetreppe samt Rosenkavalier auftauchen zu lassen. Mit Kostümen, die die Attraktivität vor allem ihrer Trägerinnen mal nicht konterkarieren, sondern ausspielen.

Und mit einer Personenregie, die sich nicht vordrängt, sondern vor allem auf den feinen Hofmannsthalschen Witz und die komponierte Farce baut. Das Gültige dieser so ernsten und weisen Komödie über die Liebe und das Älterwerden, also über das Leben, wird im Spiel mit der Rokoko-Opulenz in der erinnerten Architektur oder den Perücken des Personals entfaltet, reicht aber bis in die Gegenwart der Uniformierung der österreichischen Polizei von heute. Dabei ist der schwarz angemalte Pierrot, ein programmtisch dezenter Spielmeister, der sich am Ende nicht nur eines der Taschentücher schnappt, sondern vor allem die Silberrose in den Händen des endlich zusammengekommenen jungen Liebespaares durch eine echte, rote Rose ersetzt. Ist ja vielleicht doch kein Traum, sondern Wirklichkeit, was die beiden von Leben erwarten und die exemplarisch großherzige Marie Theres ihnen unter Schmerzen ihres Verzichtes wünscht.

Was diese Produktion betrifft, die just am Tag des einhundertjährigen Uraufführungsjubiläums der "Elektra" Premiere hatte, so ist sie ein wahr gewordener Traum. Der damalige Assistent des 2002 so plötzlich verstorbenen Bühnenbildners und Regisseurs Herbert Wernicke, Alejandro Stadler, hat ihn mustergültig präzise und lebendig neu einstudiert und damit zu neuem Leben erweckt. Dabei hatte Herbert Wernicke das Kunststück fertig gebracht, mit seiner (im wahrsten Bühnenbildsinne des Wortes) Spiegelung der so fein gesponnen Kunstwelt eines erfundenen Maria Theresia Wiens, ins Exemplarisch Lebensweise und auch Gegenwärtige, nichts zu beschädigen, keine Figur zu überzeichnen. Selbst den, wie Heinz Erhardt komischen Angedenkens herein stolpernden, und dann zwischen jedem seiner Sätze laut schniefenden Notar nicht. Bei den Lerchenauern beschränkt sich der Leopold auf die slapsticksichere Schnapsdrossel. Ansonsten hält Franz Hawlata seine "Übergriffe" als Ochs im Rahmen des noch irgendwie auch Sympathischen.

Höchst einleuchtend ist auch die Idee von Octavian (und Wernicke) die engagierten Spuckgestalten im Wirtshaus von lauter Klonen des Rosenkavaliers in weißem Frack, mit Zylinder und Silberrose rumspuken zu lassen. Besonders liebevoll ausformuliert ist freilich die delikate Menage a trois, die die aufflammende und geläuterte, wahre Liebe in feinen Porträts ohne jede Überspitzung durch dekliniert.

Das funktioniert in Baden-Baden wohl auch deshalb so überzeugend, weil die Riesenbühnenräume bei ihrem Nachbau auf die etwas "normaleren" Bühnenmaße des Festspielhauses in Baden-Baden verdichtet wurden. Was zu einer intimeren, konzentrierteren Raumsituation führt, die obendrein auch noch sängerfreundlicher ist. Und siehe da: gerade dieser, nicht deutungsüberforderte "Rosenkavalier" erweist sich auch nach 14 Jahren als ein rares Beispiel für eine szenische Deutung, die sich im Laufe der Jahre, nicht etwa abspielt oder erledigt hat, sondern die, im Gegenteil, immer besser wird. Das war schon bei ihrer Übernahme an die Opera Bastille 1997 so.

Damals stieg der US-Star Renée Fleming mit ihrer Feldmarschallin endgültig in den Kreis der ganz großen Richard Strauss Diven auf. Wenn sie jetzt auf der Bühne beim so aberwitzig grandiosen und so leicht zu verderbenden Terzett des dritten Aufzuges mit einer eloquent spielerischen Sophie Koch als Octavian ohne jede Hosenrollenattitüde und mit einer von den faszinierenden Höhen ihres Aufstieges und ihrer Stimme gleichermaßen umglänzte Diana Damrau als souverän selbstbewusster Sophie umgeben und dabei dann noch von Christian Thielemann und seinen Münchner Philharmonikern auf Händen getragen und in einen nicht nur delikat opulent blühenden, sondern auch klug dosierten Klangzauber aus dem Graben des Festspielhauseses gehüllt wird, dann ist das schlichtweg nicht zu überbieten. Weltweit nicht. Hier geht es keinem der Beteiligten um einen Wettstreit, sondern allen um eine an Vollkommenheit grenzende Symbiose. Der ganze Abend ist eine Sternstunde des Musiktheaters!

Auch Franz Hawlatas Ochs ist stimmlich weitaus überzeugender als sein Bayreuther Sachs. Franz Grundheber als ein die Figur ernst nehmender Faninal und Jane Henschel als Intrigantin Annina sind dabei ebenso der pure Luxus. Jonas Kaufmann, der mal den Tenorstar spielen darf, der er ist, wird zum Clou einer Besetzung, wie sie sich im Moment eben wirklich nur für Baden-Baden zusammenfindet. Natürlich lässt sich Andreas Mölich-Zebhauser die Chance nicht entgehen, für eine DVD mitzuschneiden.

FAZIT
Das noch junge Opernjahr hat seinen ersten Höhepunkt.
Bei dem Artikel befinden sich Fotos (ohne Jonas Kaufmann). Wer sie sich ansehen möchte folgt diesem externen Link.






 
 
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