In München ist der Schwanenritter "Lohengrin" ein Mann
in Trainingshose. Kelle schwingend hilft er der Angebeteten beim Häuslebau,
um an Ende brandschatzend das Weite zu suchen. Jonas Kaufmann gab in der
Titelrolle sein Debüt als Tenor.
Geradezu hysterisch war das "Lohengrin"-Debüt des Tenors Jonas Kaufmann in
München erwartet worden und es wurde ein Triumph für den gebürtigen
Münchener. Kein Zweifel, der Mann kann was und er macht es sich nicht leicht
in dieser mörderisch schweren Partie. Zwar ist seine Tonbildung oft
eigenwillig gaumig, die Stimme wenig strahlend und glänzend, aber er
gestaltet seine Rolle anspruchsvoll, geht große Risiken ein und macht sich
das Tenorleben nicht leicht.
Es wäre ein Leichtes, im bequemen Mezzoforte durch den Abend zu segeln und
das Publikum mit einigen geschmetterten Spitzentönen zu beeindrucken.
Stattdessen geht Kaufmann immer wieder das Wagnis ein, auch schwierig
liegende Töne leise anzusetzen und Gesangslinien weit gespannt zu
phrasieren. Das funktioniert (noch) nicht immer perfekt, unter
Gesangsliebhabern wird er sich mit dieser ebenso mutigen wie musikalisch
überzeugenden Interpretation viel Respekt verschaffen.
Ob seine eher bronzene Klangfarbe für diese Rolle geeignet ist, in der doch
traditionell eher Stimmen mit silbernem Glanz besetzt werden, bleibt
letztlich Geschmackssache, ebenso wie die vielen Schluchzer, die eher in
einen italienischen Verismoschocker passen als in eine deutsche romantische
Oper.
An der Bayerischen Staatsoper entschied man sich insgesamt für ein
dramatischeres Solistenensemble als üblich: Auch die Elsa der Anja Harteros
ist nicht bloß ein naives Mädchen, das zu früh zu viel wissen will, sondern
eine mitten im Leben stehende Frau, die es sich nicht gefallen lässt, von
ihrem Mann für dumm verkauft zu werden. Schon während des Vorspiels steht
sie am Reißbrett und konstruiert ein Vororthaus, in dem sie mit dem noch
unbekannten Gatten einziehen will.
Umgehend macht sie sich ans Werk, schwingt die Kelle und schichtet Stein auf
Stein. Da kommt ihr der merkwürdige Kerl in Traininghose mit dem Schwan auf
dem Arm gerade recht, denn er kann offenbar ordentlich anpacken. Der Hausbau
geht flink von der Hand, zum dritten Akt ist das Niedrigenergiehaus
bezugsfertig. Das stille Glück im Winkel ist allerdings nicht von langer
Dauer, weil Elsa die verbotene Frage nach seiner Herkunft stellt.
Schließlich zündet der frustrierte Lohengrin die Bude an, bevor er wieder
abreist.
Mit dieser konsequenten Verkleinerung des romantisch-mythensatten Stoffs
scheitert der Regisseur, weil er kein Verhältnis zum "Wunderbaren" findet.
Die von Wagner differenziert gestaltete Psychologie der vom "Wunder"
überforderten Menschen kann Jones nicht in Theaterbilder umwandeln. Keine
Spur ist mehr vorhanden vom einstigen trocken-anarchischen Witz und der tief
berührenden Gestaltung von Einzelschicksalen, die seine früheren Arbeiten so
herausragend machten.
Mit dem Chor, Träger der Handlung in ausgedehnten Szenen, kann Jones
überhaupt nichts anfangen, und so stehen die Sänger unbeteiligt auf einer
Brücke, die Bühnenbildner Ultz über das entstehende Eigenheim gespannt hat.
Der Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper Kent Nagano erweist sich
erneut als wenig inspirierter Musikkoordinator. Ziemlich laut geht es zu und
ziemlich schnell, auch er hat kein Interesse am Wunderbaren in der Musik,
keine Fantasie für Duft, Geheimnis und Klangfarben der erstaunlichen
Partitur. Zudem klappert es immer wieder gefährlich zwischen Bühne und
Graben, aber auch zwischen den Orchestermusikern ist nicht jedes rhythmische
Detail präzise ausgeformt.
Anja Harteros überstrahlt all diese Gefahren sicher und von Anfang an
überzeugend, während Michaela Schuster einen Moment braucht, um sich als
Ortrud zu dämonischer Größe aufzuschwingen. Wolfgang Koch setzt hingegen zu
sehr auf außermusikalische Effekte und chargiert stimmlich zu sehr, um
wirklich zu beeindrucken. Das Festspielpublikum feierte die Sänger ebenso
einhellig, wie es den Regisseur für seine langweilige Inszenierung mit einem
lautstarken Buhkonzert abstrafte. |