MÜNCHEN. Ein wundervoller Moment an der Bayerischen
Staatsoper: Lohengrin bleibt einsam in seinem neuen Kleinbürgerhaus zurück,
schleppt sich in das Kinderzimmer, holt die Wiege herab, stellt sie auf das
Ehebett und setzt alles mit Benzin und Streichholz in Brand. Der Traum vom
Familienleben geht in Flammen auf.
Es sind diese poetischen Momente, die ein neues Licht auf Wagners
romantischste Oper werfen. Im Wortsinn: Tausendfach ist Lohengrin in
magischem Licht mit oder ohne Schwan ans Ufer der Schelde geschwommen. In
der Münchner Inszenierung von Richard Jones tritt er einfach und abseits
aller szenischen Mystik aus der rechten Seitengasse auf die Bühne. Kein
Wunder, keine märchenhafte Unschärfe. Nur ein junger Mann im blauen T-Shirt.
Das Konzept geht auf, weil Jonas Kaufmann dieser Lohengrin ist, jung,
attraktiv, eine Ausnahmegestalt unter den Wagner-Tenören. Sein Tenor wirkt
erdgebunden, viel Lunge, viel Körper, die Männlichkeit eines Baritons
kombiniert mit hoher Strahlkraft.
Kein Debüt hat im Vorfeld so viel Aufmerksamkeit erregt, wie Kaufmanns
Ankunft an der Staatsoper. Der 40-Jährige wird als Gottgesandter des
deutschen Tenor-Fachs gehandelt - und vermarktet. Die Vorstellungen während
der Festspiele sind ausverkauft, lang die Warteschlangen für die
Wiederaufnahme im Oktober.
Das Publikum nahm Jones' Inszenierung nicht kalt hin. Nach jedem Akt
bekämpften sich die Lager der Bravo- und Buh-Rufer. Was hatte der britische
Regisseur verbrochen? Nichts. Seine Arbeit ist reich, punktgenau und
handwerklich auf höchstem Niveau. Jones verwehrt die Unschärfe, die süße
Watte eines Musik-Märchens. Alles ist konkret an diesem "Lohengrin".
Auch mit dem letzten Bild ist er seinem Regiekonzept verpflichtet: Die Oper
endet kurz vor dem kollektiven Selbstmord - der Held reist ab, das
Familienhaus ist abgebrannt, Pistolen werden gezückt, entsichert und in den
Rachen gesteckt. Eine Provokation, die viele Buhs einstecken musste.
Sonnenschein dagegen für die musikalische Macht unter Kent Nagano. Der Chef
des Hauses lotet die Höhepunkte aus. Zu keinem Zeitpunkt wird verzärtelt,
der allmächtige Viervierteltakt treibt den Motor an. Unter den Stimmen gibt
es Zauber. Das Durchschnittsalter der Sänger liegt unter 40. Wer diesen
Lohengrin erlebt, wird nie mehr über die Krise des Wagner-Gesangs faseln.
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