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Mittelbayerische, 7.7.2009 |
Gerhard Heldt |
Wagner: Lohengrin, München, 5. Juli 2009
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Buhstürme von selten erlebter Wucht
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„Lohengrin“ bei den Münchner Opernfestspielen |
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Lohengrin
symbolisiert für Wagner die Existenz des einsamen, der Welt entfremdeten
Künstlers, der um seiner selbst willen als Mensch geliebt, nicht aufgrund
seiner Künstlernatur bewundert werden will. Im Verlauf der Handlung wird
seine letztlich zum Scheitern verurteilte Hoffnung auf ein Zuhause, auf
Heimat sichtbar. Diesen Ansatz hatten Regisseur Richard Jones und sein
Ausstatter Ultz wohl im Sinn, als sie die Arbeit an der ersten Premiere der
Münchner Opernfestspiele in Angriff nahmen. Unbeachtet blieb dabei Wagners
Gattungsbezeichnung „romantische Oper“. Die Idee: ein unbehaustes Paar (Elsa
und Lohengrin) baut sich mit Kelle und Mörtel ein Haus, um geordnet und
sicher in unserer Welt zu leben, will sich Inhalt und Gehalt der Oper nicht
fügen.
Elsa im Baustellen-Blaumann
Gralsritter Lohengrin rettet die brabantische Königstochter Elsa vor
Telramunds Anklage des Brudermords. Telramund und seine Frau Ortrud, selbst
am Thron Brabants interessiert, verführen Elsa, Lohengrins Verbot, ihn nach
Herkunft und Namen zu fragen, zu übertreten. Beim nächtlichen Überfall
erschlägt Lohengrin Telramund, gibt sich vor dem Volk zu erkennen und muss
wieder zum Gral, bringt aber Elsas Bruder zurück.
Szene, Handlung und Musik hatten an diesem Abend nichts gemein: Die Szene
verweigerte sich konsequent der Geschichte, die so, wie sie hier vorgestellt
wurde, keinen Sinn machte, Ratlosigkeit und Empörung provozierte. Vielleicht
ging Kent Nagano viele Tempi recht mäßig an, ließ Lautstärken zu, die man in
dieser Radikalität bei ihm nicht gewohnt ist, um mit der ausgestellten
Schönheit der Musik auszugleichend zu wirken.
Der Heerrufer richtete vom Tennis-Richterstuhl mit Mikrophon seine Worte ans
Volk.
Telramund, großbürgerlich im Habitus und altbacken in seiner Gestik,
gesellte sich hinzu, und Elsa, jungmädchenhaft langbezopft, trug weiße
Schuhkartons, die sich dann als Leichtbausteine entpuppten, ins
Bühneninnere. Dieweil drängte sich der vorzüglich singende Chor
(Einstudierung Andrés Máspero) auf engstem Raum. Wo Personen-Regie
stattfand, war sie eher von den Sängern (Elsa und Lohengrin) oder vom
Choreografen (Gotteskampf) aus der jeweiligen Situation heraus erarbeitet.
Lohengrin kam und ging in grauen Jeans mit zwei Silbersteifen und silbernen
Turnschuhen und mit himmelblauem T-Shirt, mutierte zwischenzeitlich (er baut
ja an Elsas Haus mit) zum Hamburger Zimmermannsgesellen auf der Walz; Elsa
wechselte den Baustellen-Blaumann zur Hochzeit und zum Einzug ins
Ikea-Fertighaus mit weißem Dirndl. Der Brautzug endet am Tisch des
Standesbeamten König Heinrich vor dem Häuschen.
Das Orchester unter der Leitung von Kent Nagano wirkte dem Bühnengeschehen
im Verein mit der exquisiten Sängercrew energisch entgegen. Im Vorspiel zum
ersten Aufzug verpasste Nagano noch sinnliches Ineinanderfließen der
wechselnden Klangfarben durch zu abrupte Übergänge. Im Verlauf des Abends
aber legte sich die Anfangsnervosität, und es gelangen immer wieder
beglückende Phasen herrlich ausmusizierten Glanzes und erfüllte Momente
einschmeichelnder Intimität.
Beifallsorkane für die Musik
Eine Sängerbesetzung wie an diesem Abend war in den letzten Jahren eher
selten zu erleben. Anja Harteros sang mit verinnerlichtem Gestus ihre
Zweifel, die Piani teils wie in Trance, Fortepassagen mit dramatischer
Attitüde. Ihr zur Seite, sängerisch wie gestalterisch ebenbürtig, Jonas
Kaufmann (Rollendebütant wie seine Partnerin), mit charismatischer
Ausstrahlung in Gesang und Spiel, ein durch und durch menschlicher
Abgesandter des Grals, mit sanften Gefühlen, aber auch resoluter,
strahlender Stimmkraft; mit seiner italienisch geschulten Stimme vermag er
ein ums andere Mal zu verzaubern. Das Paar sang und spielte mit geradezu
beklemmender Intensität und rührte so immer wieder die Herzen. Michaela
Schuster zeichnete als Ortrud ein überzeugendes Rollenportrait, Wolfgang
Koch forcierte als Telramund die Klage gegen Elsa ebenso wie den Schmerz
über seine Niederlage. Christof Fischesser gab mit sonorem Bass solide den
König Heinrich, Evgeny Nikitin blieb als Heerrufer etwas blass.
Beifallsorkane für die Musik, vehemente, in dieser Wucht selten erlebte
Buhstürme für die bösen Verballhornungen der trotzigen Verweigerer Jones und
Ultz. |
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