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Nürnberger Nachrichten, 07.07.2009 |
Jens Voskamp |
Wagner: Lohengrin, München, 5. Juli 2009
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Startenor Jonas Kaufmann in München umjubelt
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Umstrittener «Lohengrin» bei den
Opernfestspielen |
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MÜNCHEN - Mein lieber Schwan: Der neue Münchner
«Lohengrin» hat es in sich. Mit Startenor Jonas Kaufmann und Anja Harteros
sind zwei Rollendebütanten in den Hauptrollen, die sich vor den Ohren von
Eva Wagner-Pasquier für Bayreuth empfehlen wollten. Dazu der britische
Regisseur Richard Jones, der vor fünfzehn Jahren mit «Giulio Cesare» die
Münchner Händel-Mania mitbegründet hat.
Von der Papierform her war diese Festspiel-Premiere eine vielversprechende
Angelegenheit. Doch am Ende tobte eine selbst für Münchner Verhältnisse
heftige Buh-Schlacht gegen das Regieteam. Was war passiert?
Zauber ausgetrieben
Richard Jones hatte der romantischen Wagner-Oper alle Magie, alles Pathos,
allen Zauber ausgetrieben. Sein Titelheld muss eine Annonce lanciert haben:
«Tausche Ritterrüstung gegen Zimmermannskluft». Während des ersten Vorspiels
zeichnet Elsa bereits an den Bauplänen für ihre neue Behausung, in die sie
mit ihrem künftigen Erretter einziehen möchte.
In einem aufgelassenen Gleisbett entsteht der simple Bau als
Reihenhaus-Hälfte. Elsa mörtelt auch während der wüstesten Anschuldigungen
von Friedrich von Telramund (in bestechender Form: Wolfgang Koch)
seelenruhig vor sich hin. Wie gut, dass ihr etwas später per Schwan
eintreffender Gotteskämpfer aus dem fernen Montsalvat ähnlich handwerklich
begabt ist und kräftig mitanpackt.
Das Dach ist gerichtet, die Blumenrabatte mit dem ironischen Bayreuther
Verweiszitat «Hier, wo mein Wähnen Frieden fand, Wahnfried sei dieses Haus
von mir benannt» angelegt, das Ehebett Feng shui-mäßig ausgependelt, da
passiert das Unheilvolle: Elsas weibliche Neugier will dem
Herkunftsgeheimnis ihres Angetrauten auf den Grund gehen. Der Ausgang ist
bekannt: Der Schwanenritter gibt sich als Parzivals Sohn Lohengrin zu
erkennen und lässt König Heinrich und die Brabanter Krieger allein gegen die
ins östliche deutsche Reich einfallenden Hunnen kämpfen.
Meditation über das Scheitern
Vorher steckt er aber noch das gemeinsame Heim in Brand und macht so
offenbar, was Richard Jones als Merk-Botschaft vermitteln will: Wagners Oper
ist nichts anderes als eine Meditation über das Scheitern. Freilich gilt
dies nicht minder für die Regie, denn die kapitulierte vor der
raumgreifenden Ausstattung von Ultz und gab nur antiquiertes Standtheater
zum Besten. Da stehen zweihundert Chorsänger an der Rampe oder auf einer
alten Eisenbahn-Überführung und sind so dynamisch wie eine Betonmauer. Wenn
Umbauten es erfordern, wird eine Kulissenwand heruntergefahren, die die
Aktionsfläche auf einen Meter in der Tiefe verkürzt.
Man kann dem «Lohengrin» natürlich seine musikalisch ohnehin abgesicherte
sphärische Sogwirkung, seine archaisierende Aura und sein halb
nationalistisches, halb religiös verbrämtes Pathos nehmen. Aber wenn man
keine Äquivalente dafür findet, dann ziehen sich die fünf Stunden wie
Kaugummi. Ein ganz Mutiger nutzte die Anwesenheit des Bundespräsidenten um
seinen aufgestauten Frust am Ende rauszubrüllen und titulierte
Staatsopern-Chef Nikolaus Bachler als «Steuergeld-Verschwender».
Tatsächlich ist die Bilanz des ersten Bachler-Jahres wenig berauschend. Der
einstige Burgtheater-Leiter tut sich schwer, in die Fußtapfen des
charismatischen Peter Jonas hineinzuwachsen. Einen wirklichen Erfolg hat der
Schauspiel-Mann in seiner ersten Spielzeit an der Isar nicht gelandet. Auch
hinter den Kulissen rumort es; viele Sänger fühlen sich nicht mehr heimisch
am Nationaltheater.
Nagano wahrte Distanz
Zumindest Bachlers Chemie mit Kent Nagano stimmt. Der trieb das
Staatsorchester gerade im ersten Akt in einen wahren Forte-Rausch, in dem
die Sänger hoffnungslos untergehen mussten. Bei aller dann später doch
hörbaren Feinarbeit: Naganos Wagner-Sicht blieb distanziert, so als traue er
der silbrig-glänzenden Klangsinnlichkeit nicht recht.
Es war dann Jonas Kaufmann, der Nagano in der «Grals-Erzählung» dazu
trieb, endlich einmal auf intimstes Pianissimo umzuschalten. Der 40-jährige
Tenor bewältigte die Partie ansprechend, sehr vom Wort kommend, wenn auch
nicht mit dem letzten heldischen Anspruch. Immerhin: Ein frenetisch
bejubelter Vorlauf für sein Bayreuth-Debüt im nächsten Jahr in der
«Lohengrin»-Neuinszenierung.
Spitzenleistung als Elsa
Auch Anja Harteros lieferte als Elsa eine Spitzenleistung. Die
Kammersängerin erweckte das Träumerische und Entrückte, das in ihrer Rolle
steckt, ungemein anrührend. Sie wurde im Anschluss ebenso gefeiert wie
Kaufmann und verbeugte sich auch vor den mehr als 10000 Fans, die sich trotz
zwischenzeitlicher Schauer die Premiere auf Großleinwand auf dem
Max-Josephs-Platz angeschaut hatten. |
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