|
|
|
|
|
Crescendo, 06. Juli 2009 |
Von Barbara Angerer-Winterstetter |
Wagner: Lohengrin, München, 5. Juli 2009
|
Eigenheimförderung in Brabant?
|
Elsa und Lohengrin als brave Häuslesbauer zur
Festspieleröffnung der Bayerischen Staatsoper/ Großartige Anja Harteros,
sich steigernder Jonas Kaufmann |
Foto: W. Hösl |
Kaum
haben sie sich ihre Liebe gestanden, mörteln Elsa und Lohengrin schon
fleißig an ihrem Eigenheim, emsig helfen die Brabanter und rechtzeitig zur
Hochzeit wird das schicke Holzhäuschen fertig. Auch Wiege und Kinderwagen
stehen schon bereit. Aber Elsa kann das Fragen nicht lassen und will wissen,
wer sich denn hinter dem braven Handwerksburschen auf Wanderschaft befindet,
als der ihr Gatte sich gibt. Damit platzt der Traum vom Eigenheim - und der
hehre Gralsritter inkognito zündet Wiege, Doppelbett und das ganze
kleinbürgerliche Idyll an.
Das alles ist die neue Sichtweise von Regisseur Richard Jones und Ausstatter
Ultz auf Wagners „Lohengrin”, der am gestrigen Sonntag die Münchner
Opernfestspiele eröffnete. Warum nur? Vielleicht weil letztere unter dem
Motto „under construction” Oper als permanente und produktive Baustelle
stehen? Weil Wagner auf Leitmotiven wie auf kleinsten Bausteinen seinen
ureigensten Stil entwickelte? Oder steht gar in Brabant die
Eigenheimförderung an erster Stelle? Möglich auch, dass der Gralsritter
eigenes Vermögen lieber ins Dach über dem Kopf steckt als in wackelige
irdische Wertanlagen. Kurz gesagt: Die Grundidee dieser Neuproduktion gibt
keine wirklich spannenden Ansätze her. Die zupackende Elsa des ersten Aktes,
die vermeintlich zielstrebig eine neue Gesellschaft bauen will, gleitet ins
Biedere ab. Dazu gibt es ein paar politische Anspielungen, Monitore, die
Heerrufer wie Eheunterschrift übertragen, auch mal einen Hahn zum
Tagesanbruch, ein Wagnersches Wahnfried-Zitat zum eigenen Bayreuther
Eigenheim - und am Schluss erschießen sich alle außer Elsa und den wieder
herbeigezauberten Gottfried. Warum, weiß nicht mal der Schwan.
Mit allem Zauber- und Märchenhaften kommt diese Inszenierung sowieso nicht
klar - ebenso wenig wie mit den zentralen Fragen nach Glauben-Können und
Wissen-Müssen, nach dem Annehmen von Fremden, nach bedingungsloser oder
blinder Liebe. Soviel Spannendes, Kontroverses steckt in dieser
„romantischen Oper” - auch der Wunsch der Entstehungszeit nach einem
rettenden und einenden Erlöser. An diesem Abend werden solche Fragen nicht
mal angesprochen. Und gerade deshalb hat diese an sich eher langweilige
Produktion ohne echte Denkanstöße den Skandal eigentlich gar nicht verdient,
den sie auslöste. Von “Steuerverschwendung” bis „scheußlich” reichten die
empört gebrüllten Kommentare, das Produktionsteam wurde ziemlich einheitlich
mit Buhs empfangen.
Bleiben wir also bei der Musik, die sich im Gegensatz zur Szene äußerst
festspielwürdig präsentierte. Kent Nagano am Pult des Bayerischen
Staatsorchesters zaubert filigrane Klanggemälde voll zarter
Zerbrechlichkeit, fegt aber auch (etwa im Vorspiel des dritten Aufzugs) wie
ein Wirbelwind über die Partitur. Im zweiten Akt wackelt es mal ein wenig im
Tempo - auch im Chor. Das aber fällt nicht in Gewicht, vor allem, weil
letzterer großartig stimmgewaltig auftrumpft.
Was Jonas Kaufmann als Lohengrin über zwei Akte hinweg leider eher schwer
fiel. Der schon vor der Premiere von einer unerbittlichen PR-Maschinerie als
neuer Star am Wagnerhimmel angepriesene Tenor stand zusätzlich durch
gleichzeitige DVD-Aufzeichnung wie Übertragung auf den Max-Josef-Platz und
den Wiener Rathausplatz unter ungeheurem Druck, der sich auf die Stimmbänder
legte. Sein sonst so glänzender Tenor klang anfangs matt und eng. Erst im
dritten Aufzug lösten sich diese Schleier und Kaufmann fand zu einer
berührenden Gralserzählung: In dieser stimmlich so leise, so voller Trauer
gezeichneten Portrait zeigt sich Kaufmann als wirklich vielversprechender
neuer Wagner-Tenor. Einer, der mitdenkt statt kraftvoll stemmt, der
interpretiert statt nur Spitzentöne ansteuert, der noch im Pianissimo
wundervolle Legato-Bögen singen kann und dennoch Reserven hat für
Gefühlsausbrüche. Kaufmann umreißt hier in wenigen Minuten die ganze
Tragweite des menschlichen Scheiterns, die in diesem Stück liegt - mehr als
die gesamte Inszenierung das vermag.
Der Star des Abend hieß dennoch Anja Harteros: So warm, so innig und
gleichzeitig so voller Schönklang, Kraft und Stimmkultur hat man diese
Partie schon lange nicht mehr gehört - dabei gestaltet die Harteros
stimmlich selbstbewusster als das im Falle Elsa sonst häufig zu hören ist.
Ihr zur Seite stehen mit Christof Fischesser als König Heinrich und Wolfgang
Koch als Telramund zwei ausgezeichnete Sänger, die angenehm unforciert
singen und dennoch Kraft und Volumen hören lassen. Einzig Michaela Schusters
Ortrud besitzt stimmlich einige Schärfen und vor allem zu wenig betörenden
Töne in der Tiefe.
Insgesamt ein musikalischer Genuss, szenisch leider von Grund auf schwach. |
|
|
|
|
|
|
|